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INTERVIEW
Interview: Warum Armin Laschet gerne die FDP als Partner hätte
CDU-Chef und Kanzlerkandidat Armin Laschet spricht im Interview über den Wahlkampf, die möglichen Regierungspartner und das Rauchen.
CDU Landesvertreterversammlung Schleswig-Holstein       -  _
Foto: Jonas Walzberg (dpa)
GREGOR PETER SCHMITZ, STEFAN LANGE UND RUDI WAIS
 |  aktualisiert: 16.08.2021 16:44 Uhr

Armin Laschet will Bundeskanzler werden, doch wie sähe eine Kanzlerschaft Laschets aus, welche Schwerpunkte würde er setzen? Im Gespräch erklärt der CDU-Chef, warum er die FDP gerne als Koalitionspartner an seiner Seite hätte.

Frage: Herr Laschet, haben Sie schon eine Wohnung in Berlin?

Armin Laschet: Nein, noch nicht. Wenn ich derzeit als Ministerpräsident in Berlin bin, übernachte ich in der nordrhein-westfälischen Landesvertretung. Aber im Herbst werde ich mir eine Wohnung suchen.

Die Union sucht ja auch noch nach dem letzten Entwurf ihres Wahlprogramms, dabei sind es weniger als 100 Tage bis zur Bundestagswahl. Warum brauchen Sie so lange?

Laschet: Ihr Eindruck trügt. Wir werden es sogar früher vorstellen als vor den letzten Wahlen, und die Grünen haben ihres erst letzten Samstag beschlossen. Bei uns in der Union ist der Programmprozess ein besonderer: Er findet parallel in beiden Schwesterparteien – CDU und CSU – statt. Und am Ende werden alle Vorschläge zu guten Ideen für die Zukunft Deutschlands gebündelt. Beim Grünen-Parteitag gab es 3280 Änderungsanträge – wir fragen erst die Basis und schreiben dann unser Programm.

Nach allem, was bisher durchgesickert ist, geht die Union mit einem Anti-Grünen-Programm in die Wahl.

Laschet: Sie werden in unserem Programm sehr viele Punkte finden, die Sie bei den Grünen nicht finden. So soll es ja auch sein! Aber die schreiben wir nicht ins Programm, weil wir anti-grün sind, sondern weil es unsere Ideen sind, mit denen wir unser Land voranbringen wollen. Wir werden mit neuer Dynamik für eine starke Wirtschaft durchstarten, bei der Klimaschutz, Wachstum und soziale Sicherheit im Einklang sind.

Die Union will nach der Wahl, anders als die Grünen, keine Steuern erhöhen, sondern Wirtschaft und Beschäftigte sogar entlasten. Können wir uns das angesichts der horrenden Schulden aus der Pandemie überhaupt leisten?

Laschet: Es wäre ein fatales Signal, jetzt Steuern zu erhöhen. Für viele kleine und mittlere, von ihren Eigentümern geführten Betriebe stellt eine höhere Einkommenssteuer faktisch einen Eingriff in ihren Betrieb dar. Das Vermögen eines jeden Handwerkers ist sein Betrieb. Der Staat kann auch höhere Einnahmen erzielen, ohne die Steuern zu erhöhen – indem wir etwa ein Entfesselungspaket auf den Weg bringen, mit konsequentem Abbau von überflüssiger Bürokratie dafür sorgen, dass die Wirtschaft floriert und wächst. Vor der Pandemie haben wir keine Steuern erhöht und der Staat hat durch wirtschaftliches Wachstum trotzdem mehr Steuern eingenommen.

Wirtschaftsforscher rufen bereits nach der Rente mit 68. Ein realistisches Szenario?

Laschet: Flexibilisierungen sind richtig. Wir brauchen bessere Anreize für alle, die länger arbeiten wollen und können. Aber das Renteneintrittsalter steigt bis 2029 in kleinen Schritten auf 67 Jahre. Das ist ein klarer Pfad.

Sie sagten, dass Sie nie auf Umfragen schauen?

Laschet: Nur, wenn sie gut für mich sind. Nein, im Ernst, natürlich bekommen wir Umfragen mit. Aber Sie sehen bei den Grünen, wie sich innerhalb kürzester Zeit eine vermeintlich gute Stimmung wieder ändern kann. Deshalb sollte man weder bei personellen noch bei sachlichen Entscheidungen auf Umfragen schauen. Wir wollen nicht Umfragen gewinnen, sondern die Wahl. Wir dürfen keine Stimmungsdemokratie werden.

Ist auf die CSU in diesem Wahlkampf Verlass? Deren Generalsekretär Markus Blume hat Sie etwa nach dem überraschend klaren CDU-Wahlsieg in Sachsen-Anhalt nicht mal mit einem Wort erwähnt.

Laschet: Er hat den Sieg von Reiner Haseloff gefeiert – zu Recht. Es war sein Sieg. Reiner Haseloff hat das hervorragend gemacht in Sachsen-Anhalt: eine klare Abgrenzung nach rechts und trotzdem auf das hören, was die Leute bewegt.

Markus Söder, so scheint es, würde die FDP als Koalitionspartner am liebsten nur mit der Kneifzange anfassen.

Laschet: Im Wahlkampf ist die FDP natürlich ein Mitbewerber. Es ist wichtig, dass die CDU möglichst viele Stimmen bekommt. Nur eine starke Union verhindert ein linksgeführtes Bündnis. Inhaltlich steht uns die FDP aber von allen Parteien am nächsten.

Denkt CSU-Chef Söder auch so?

Laschet: Da gibt es in der Union insgesamt große Einigkeit. Das heißt aber nicht, dass mit den Grünen keine Koalition möglich wäre, wenn das Wahlergebnis es erfordert. So eine Koalition würde sicher mühsamer. Ich habe die Grünen aber auch so kennengelernt, dass sie verlässlich sind, wenn man einmal etwas verabredet hat – das unterscheidet sie oft von der heutigen SPD. Mit der FDP halte ich es in Nordrhein-Westfalen so, dass ich auch meinem Koalitionspartner seine Erfolge gönne.

Ist Schwarz-Gelb überhaupt eine strategische Option für Sie? In den Umfragen reicht es dafür noch lange nicht.

Laschet: Im Moment ist das keine realistische Perspektive. Jedenfalls nicht bei sieben Parteien im Parlament. Aber eine Regierung, an der die FDP beteiligt ist, wäre nicht die schlechteste Lösung.

Denken Sie auch über eine Deutschland-Koalition mit Liberalen und Sozialdemokraten nach?

Laschet: Über Koalitionsoptionen entscheiden letztlich die Wählerinnen und Wähler. Die SPD scheint momentan Kraft und Lust am Regieren zu verlieren.

Sie haben nach dem Klima-Urteil des Bundesverfassungsgerichts maßgeblich an der neuen Klimapolitik der Union mitgewirkt. Aber wenn es dann an die praktische Umsetzung geht, etwa über einen deutlich höheren Benzinpreis, wird die Union plötzlich seltsam still.

Laschet: Uns als CDU sind die richtigen Maßnahmen für ein klimaneutrales Deutschland wichtig. Was auch immer über die CO2-Preise mehr eingenommen wird, geben wir über die Verbilligung des Strompreises zurück. So machen wir den Klimaschutz sozialverträglich. Was etwa höhere Flugpreise angeht, da sage ich, dass die Fixierung, den Mallorca-Flug teurer zu machen, reine Symbolpolitik ist. Das bringt gar nichts.

Und warum nicht? Fliegen muss doch wohl teurer werden, um das Klima zu retten.

Laschet: Eine solche Maßnahme richtet sich gegen die Menschen, die sich das Fliegen dann irgendwann nicht mehr leisten können. So nehmen Sie einer bestimmten Gruppe von Menschen die Chance, in weiter entfernte Länder zu reisen. In den Urlaub fliegen darf kein Privileg für wenige werden. .

Klingt, als wollten Sie den Leuten sagen: Klimaschutz gibt es zum Nulltarif und ohne Verzicht?

Laschet: Natürlich wird es an einigen Stellen teurer werden. Doch das müssen wir sozialverträglich hinbekommen und alle Lebensrealitäten im Blick behalten. Diese soziale Frage beantworten die Grünen gar nicht.

Warum wollen Sie eigentlich unbedingt Kanzler werden?

Laschet: Die wichtigste Aufgabe ist es, dass wir zu wirtschaftlichem Wachstum zurückkommen, um damit die großen finanziellen, sozialen und kulturellen Schäden zu beheben. Zweitens muss es darum gehen, die Defizite der Pandemie aufzuarbeiten. Wir müssen überall da besser werden wo wir sehen, dass etwas nicht funktioniert hat.

Zur Außenpolitik: Biden hat Putin einen „Killer“ genannt. Teilen Sie diese Einschätzung?

Laschet: Es gibt einen breiten Konsens unter den politisch Verantwortlichen in Deutschland: Der brutale Umgang von Präsident Putin mit Oppositionellen, die völkerrechtswidrige Annexion der Krim, Cyberangriffe auf den Bundestag, all das ist nicht hinnehmbar. Wir dürfen dazu nicht schweigen. China verletzt die Menschenrechte ähnlich schwer, wenn nicht schwerer. Und es wird immer mächtiger.

Angela Merkel hat sich trotzdem mit Kritik an Peking meist zurückgehalten, um den Handel nicht zu gefährden.

Laschet: China hat ein anderes politisches System und erfährt da unseren Widerspruch. Es ist systemischer Wettbewerber und Partner zugleich. Die Chinapolitik der Bundesregierung spiegelt das wider. Ich will es deutlich sagen: Dass unser Land wirtschaftlich vergleichsweise gut dasteht, haben wir auch dem schnellen Wirtschaftsaufschwung Chinas nach der Pandemie zu verdanken. Nichtsdestotrotz bleibt es wichtig, China besser in die regelbasierte Ordnung einzubinden.

US-Präsident Joe Biden sieht China aber nicht mehr als Partner, sondern als Gegner.

Laschet: Die amerikanische Haltung ist differenzierter, als Sie es darstellen. Auch für die amerikanische Wirtschaft ist China wichtig. Und ich bleibe dabei: China ist systemischer Wettbewerber und Partner.

Ist die wichtigste Wahl in Europa nicht die in Frankreich im kommenden Jahr? Die Rechtsradikale Marine Le Pen könnte französische Präsidentin werden.

Laschet: Die wichtigste Wahl für Deutschland und Europa ist erst einmal die Bundestagswahl. Sie ist relevant für die Stabilität Europas. Wenn Rot-Rot-Grün eine Mehrheit bekäme, wäre es vorbei mit dieser Stabilität. Und was Frankreich angeht, da haben Sie recht, die Franzosen stehen vor großen Herausforderungen. Präsident Macron ist wichtig für Europa und für die europäische Handlungsfähigkeit. Wir haben ein großes Interesse daran, dass Frankreich Stabilitätsanker in der EU bleibt.

In der Pandemie ist der Staat noch dominanter geworden. Hat sich Ihre Einschätzung bewahrheitet, dass die Deutschen sich in der Krise nach einer starken Führung sehnen?

Laschet: So habe ich das nicht formuliert. Ich habe davon gesprochen, dass in der Corona-Krise harte Maßnahmen meist populärer waren. Im Moment braucht es das nicht, wir erleben in allen 16 Bundesländern niedrige Inzidenzen. Die „Methode Corona“, bei der der Staat bis in den letzten Lebensbereich hinein alles regelt, ist kein Rezept für die Zukunft. Und es ist auch kein Rezept für die Zukunft, dass der Staat mit immer noch mehr Milliarden jedes Problem zuschüttet.

Brauchen wir die Maskenpflicht noch?

Laschet: Wenn wir in den Landkreisen Zahlen nahe Null haben, stellt sich in der Tat die Frage, ob wir die Maske noch brauchen. Die Maske ist ja kein Selbstzweck. Wir sollten stufenweise beginnen: Erst draußen die Maskenpflicht zurückfahren, bei weiterem Erfolg auch drinnen.

Sie treten nach 16 Jahren Angela Merkel an. Was bleibt von der Kanzlerin und was muss sich ändern?

Laschet: Wer Deutschland 16 Jahre regiert und das Land durch vier Weltkrisen geführt hat – durch die Finanzkrise, die europäische Schuldenkrise, die Flüchtlingskrise und jetzt die Pandemie –, der hat Großes geleistet und hinterlässt Spuren. Angela Merkel hat das Land in vielen Bereichen gesellschaftspolitisch modernisiert. Wir haben Jahre wirtschaftlichen Wohlstands erlebt und sie hat Europa zusammengehalten.

Zum Schluss noch eine persönliche Frage, Herr Laschet. Kritiker spötteln manchmal, wer wie Sie noch gerne Zigarillos rauche, sei nicht mehr auf der Höhe der Zeit, weil Rauchen heute uncool sei. Werden Sie damit aufhören?

Laschet: Glücklicherweise leben wir in einem freien Land, in dem niemand vorschreibt, was cool ist.

 
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