Angela Merkel tritt auf die Bremse und stellt sich im Streit um den Mobilfunkausbau auf die Seite der drei großen Telekommunikationsunternehmen Telekom, Vodafone und Telefonica. Jedenfalls ein bisschen. Ein komplett flächendeckender Ausbau mit dem neuen Mobilfunkstandard 5 G müsse nicht sofort erfolgen, sondern habe noch einige Jahre Zeit, sagte sie auf dem Arbeitgebertag in Berlin. Zwar müssten Funklöcher rasch geschlossen werden, aber nicht unbedingt sofort auf 5 G-Niveau. Fünf Jahre seien „nicht das Drama“, zumal auch 5G-fähige Endgeräte noch auf sich warten ließen.
Das allerdings sehen die Unions- wie die SPD-Fraktion völlig anders. Wenige Tage vor der am Montag stattfindenden Sitzung des politischen Beirats der Bundesnetzagentur, auf der die Vergabebedingungen für die geplante Versteigerung der 5G-Frequenzen beschlossen werden sollen, erhöhen sechs stellvertretende Fraktionsvorsitzende von CDU, CSU und SPD in einem gemeinsamen Brief an das Bundeskanzleramt sowie die Minister Andreas Scheuer (CSU), Olaf Scholz /(SPD) und Peter Altmaier (CDU) den Druck auf die Regierung, tatsächlich eine „verlässliche und lückenlose Mobilfunkversorgung insbesondere im ländlichen Raum“ sicherzustellen, wie es Union und SPD bereits im Koalitionsvertrag vereinbart hätten. „Deutschland wollen wir zum 5G-Leitmarkt entwickeln“, heißt es in dem fünfseitigen Schreiben, das unserer Berliner Redaktion vorliegt.
Die Anti-Funkloch-Koalition, angeführt von den stellvertretenden Fraktionschefs Ulrich Lange, Nadine Schön, Gitta Connemann und Carsten Linnemann von der Union sowie Sören Bartol und Matthias Miersch von der SPD, begrüßt ausdrücklich, dass die Bundesnetzagentur in ihrem Entwurf für die Frequenzvergaberegeln auf die Forderung der Koalition eingegangen sei, die Versorgung mit superschnellem Internet verstärkt am Straßennetz auszurichten. Demnach soll in einem ersten Ausbauschritt bis 2022 an allen Autobahnen und an den wichtigsten Bundesstraßen ein 5G-Netz errichtet werden, bis Ende 2024 an den restlichen Bundesstraßen.
Ähnliche Auflagen gelten auch für die Schienentrassen. Allerdings hat diese Auflage aus Sicht der Abgeordneten einen Haken. Die Bundesnetzagentur betrachtet sie bereits dann als erfüllt an, wenn lediglich ein Netzbetreiber ein entsprechendes Netz aufgebaut hat. Es sei durchaus möglich, „dass nicht jeder Netzbetreiber sämtliche Auflagen allein durch den physischen Ausbau seines eigenen Netzes vollständig umsetzen muss“, heißt es in dem 136-seitigen Entwurf der Bundesnetzagentur, der dieser Redaktion vorliegt.
Diese Rechtsposition aber ist für die Koalitionäre nicht hinnehmbar. „Wir sehen weiterhin die Gefahr, dass in den Bereichen der verpflichtenden Versorgungsauflagen ein Mobilfunkflickenteppich entsteht und sich die Bürger im Funkloch“ wiederfinden, sagt der für den Verkehr und die digitale Infrastruktur zuständige Unionsfraktionsvize Ulrich Lange aus Nördlingen. Das betreffe vor allem den strukturschwachen ländlichen Raum, der abseits der wichtigen Bundesstraßen oder Schienenstrecken liege. „Auch hier müssen wir eine verlässliche Mobilfunkversorgung für alle Bürger sicherstellen.“
In ihrem Brief an das Kanzleramt sowie die drei Minister fordern Lange und seine Mitstreiter daher, noch vor der für März geplanten Versteigerung der Frequenzen eine gesetzliche Grundlage für ein verbindliches lokales Roaming einzuführen. Wenn sich das Unternehmen, das das 5G-Netz aufgebaut hat, weigert, den Konkurrenten ohne Netz einen Zugang zu gewähren, soll die Bundesnetzagentur die Möglichkeit bekommen, Roaming verpflichtend anzuordnen, unter anderem durch die Festsetzung von auskömmlichen Mieten. Dies könnte den Wettbewerb fördern, so ihre Argumentation. Zudem fordern die Vizefraktionschefs von Union und SPD, dass Netzbetreiber bei Vertragsschluss ihre Kunden über ihre konkrete Netzabdeckung informieren müssen und parallel dazu die Netzagentur ermächtigt wird, „anbieterscharf über die jeweilige Netzabdeckung zu informieren“. Damit die Kunden von Anfang an wissen, wo noch Funklöcher existieren.