Und erneut steht sie im Zentrum. Wieder hat Frankreich gewählt, diesmal in seinen 13 Regionen, und nach der ersten Runde am Sonntag sprechen alle nur von Marine Le Pen, der unaufhaltsamen Erfolgsserie ihres Front National und der Unfähigkeit der anderen Parteien, ihr etwas entgegenzusetzen. Klang es bislang noch aufgeblasen, wenn ihn die 47-Jährige zur „ersten Partei Frankreichs“ und zum „wahren Sprachrohr des französischen Volkes“ erklärte, so geben ihr die Wahlergebnisse jetzt recht: Mit landesweit rund 28 Prozent liegt die extreme Rechte deutlich vor den mit den Zentrumsparteien alliierten Republikanern (27,9 Prozent) und den Sozialisten, die mit 23,3 Prozent der Stimmen zumindest weniger schlecht abschnitten als befürchtet.
Ein persönlicher Erfolg
Das Ergebnis ist in erster Linie Marine Le Pens Erfolg, die selbst als Spitzenkandidatin in der wirtschaftlich geschwächten Nord-Region Nord-Pas-de-Calais-Picardie mehr als 40 Prozent geholt hat. Ebenso hoch ist das Ergebnis ihrer Nichte Marion Maréchal-Le Pen in der Provence-Alpes-Côte d'Azur. Außer in Korsika hat sich der Front National in allen 13 Regionen für die zweite Runde am nächsten Sonntag qualifiziert, also dort jeweils mehr als zehn Prozent erhalten.
Steht er in sechs davon an der Spitze, so könnte er erstmals bis zu vier Regionen regieren. Doch wie braun Frankreichs Wahlkarte dann auch sein wird – es handelt sich schon jetzt um das beste Resultat der extremen Rechten. Und so ist Marine Le Pens Triumph nicht nur einer über ihre politischen Rivalen, sondern auch einer über den Vater.
Als jüngste seiner drei Töchter wurde sie seit ihrer Kindheit von seinen rechtsnationalen Ideen geprägt, litt in der Schule unter Anfeindungen aufgrund ihres Nachnamens, entschied sich aber nach einer kurzen Tätigkeit als Anwältin für eine Karriere in der Familien-Partei. Seit sie diese Anfang 2011 von Jean-Marie Le Pen übernommen hat, versucht sie den Spagat zwischen einer Zufriedenstellung des unberechenbaren Patriarchen und der zunehmenden Abgrenzung von seinen unverhohlen rassistischen und antisemitischen Provokationen. Diese stören ihre „Strategie der Entdämonisierung“, mit der sie den Front National salonfähig machen will. Mit Erfolg: Heute empfinden 46 Prozent der Franzosen einen Wahlsieg des Front National als „nicht schlimm“.
Dabei wettert er weiter scharf gegen Einwanderer, Muslime und Europa, spricht sich für die Wiedereinführung der Todesstrafe und eine Abschaffung des Euro aus.
Die zweifach geschiedene Mutter dreier Kinder kommt zudem mit ihrer Angriffslust und einfachen Formulierungen in den Medien an. Und so schadete es ihr auch nicht, als sie nun den Ausschluss ihres Vaters als bisherigen Ehrenpräsidenten aus der Partei betrieb. Diese funktioniert längst ohne ihn. „Es gibt keinen Schock, kein Aufschrecken“, betonte sie gestern. „Der Front National gewinnt Wahl für Wahl das Vertrauen der Franzosen.“ Obwohl auch der Front National mit Korruptionsvorwürfen zu kämpfen hat, stellt er sich als Alternative zu einer Politik dar, die enttäuscht und die nun ratlos erscheint. Als letzte Möglichkeit bleibt die Fusion von Wahllisten von gemäßigter Linker und Rechter.
Nicht nur in Paris, auch in Berlin oder München reagierten Politiker bestürzt auf die Erfolge des FN. Und es taucht die Frage auf: Ist so etwas auch in Deutschland denkbar? Ist es am Ende die Alternative für Deutschland (AfD) mit Frauke Petry an der Spitze, die das Zeug dazu hat, die Erfolge von Marine le Pen zu kopieren? Politikwissenschaftler Jürgen Falter weiß: „Was wir jetzt in Frankreich beobachten, ist ja kein isolierter Fall. Es ist eher so, dass Deutschland von Ländern, in denen nationale oder rechtspopulistische Parteien große Wahlsiege feiern, geradezu umzingelt ist.“
Falter sieht AfD in den Landtagen
Der Mainzer Wissenschaftler ist sich trotz der aktuellen Umfragen, die für die AfD in einigen Bundesländern zweistellige Werte melden, sicher, dass Deutschland weiter die Ausnahme sein wird. „Dass es bei uns anders läuft als in Frankreich, Polen oder Ungarn hat nach wie vor sehr viel mit der deutschen Vergangenheit zu tun“, sagt er. Alle Prognosen, dass sich dies mit dem wachsenden zeitlichen Abstand zum Dritten Reich deutlich ändern werde, hätten sich bisher nicht bewahrheitet. Eine wichtige Rolle spiele allerdings auch, dass sich die gesellschaftlichen Eliten, aber auch die Medien sehr klar gegen Parteien am rechten Rand wie jetzt die AfD positionieren würden.
Der Politologe geht davon aus, dass es der Partei im März 2016 gelingen wird, in die Landtage von Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz einzuziehen. Dann immerhin werde die AfD den Ausgang dortiger Koalitionsverhandlungen „passiv mitbestimmen können“. Das wäre ein Erfolg, von dem Frauke Petry vor wenigen Monaten kaum zu träumen gewagt haben dürfte. Von einem Rechtsruck wie in Frankreich, der ja im Nachbarland schon vor Jahrzehnten begonnen hat, wäre Deutschland dennoch weit entfernt.
Der Siegeszug der Rechtspopulisten in Europa
Die Gewinne des Front National in Frankreich stehen für einen europäischen Trend. Experten sehen das Aufblühen, rechter, rechtsextremer und rechtsradikaler Strömungen als eines der Ergebnisse der Zuwanderungsbewegung aus den Kriegsgebieten. Österreich: Die rechte FPÖ von Heinz-Christian Strache sammelt seit Jahren erfolgreich Protestwähler ein, die Flüchtlingskrise hat diese Tendenz verstärkt. Umfragen sehen sie bei etwa 33 Prozent, gut zehn Punkte vor den Regierungsparteien SPÖ und ÖVP. Schweiz: Der nationalkonservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP) hat die Flüchtlingskrise genutzt. Bei der Wahl wurde sie klar stärkste Partei.
Polen: Die nationalkonservative Partei Recht und Gerechtigkeit hatte mit ihren Aussagen gegen die Aufnahme muslimischer Flüchtlinge die Wahl im Oktober gewonnen. Dänemark: Die rechte Dänische Volkspartei ist nach der Wahl im Juni zweitstärkste Kraft im Parlament. Die DF, die einen kompletten Asylstopp fordert, erreichte 21,1 Prozent Stimmenanteil. Italien: Die rechtspopulistische Lega Nord ist in Umfragen landesweit mit 14 Prozent drittstärkste Partei. Niederlande: Umfragen zufolge ist die Partei des Rechtspopulisten Geert Wilders derzeit stimmenstärkste Kraft. Ungarn: Die regierende rechtskonservative Fidesz hat von ihrer strengen Flüchtlingspolitik profitiert und in Umfragen zugelegt.
Text: dpa, dre