Wer dem Ratschlag des Auswärtigen Amtes folgt, wird Besuche in Nigeria eher meiden: Das Land ist reich an Konflikten, so die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch: Die Erdölförderung schädigt seit 50 Jahren im Nigerdelta die Ökologie und Landwirtschaft. Einheimische Gruppierungen fordern von der Zentralregierung und den internationalen Ölkonzernen größere Beteiligung und besseren Schutz der Natur.
Seit den 1990er Jahren wurden die Konflikte militanter. Das Land gilt als Unruheherd, in dem Ausländer schnell zum Opfer von Entführungen werden. Davon kann der gebürtige Würzburger Guido S. ein Lied singen. Auch er war 2006 Mitarbeiter des Mannheimer Konzerns Bilfinger Berger. Auch ihn schnappten sich in Nigeria Entführer aus einem Auto heraus.
Schon 2006 waren solche Geiselnahmen an der Tagesordnung, allein im August wurden sechsmal Mitarbeiter ausländischer Firmen gekidnappt. Damals forderten die Geiselnehmer der Rebellengruppe „Bewegung für das Volk des Niger-Deltas“ vom Arbeitgeber von S., mehr Menschen der Region Arbeit zu geben. Zudem wollten sie die Freilassung zweier ihrer Anführer erreichen. S. kam schnell wieder frei, ebenso ein anderer Mitarbeiter der Firma, der 2008 entführt wurde – auch er im Nigerdelta im Süden des Landes.
Die Entführung eines Deutschen im Norden – kurz vor dem Tod einer britischen und einer italienischen Geisel – könnte eine Akzentverschiebung einläuten. Zum einen nehmen Diplomaten des Auswärtigen Amtes die Entführung zum Anlass, noch eindrücklicher vor Reisen nach Nigeria zu warnen.
Zum andern ist die Entführung selbst in den USA ein Thema, weil sich erstmals ein Ableger des Terror-Netzwerkes El Kaida dazu bekannt hat. In der Stadt Kano hatte es wenige Tage vor der Entführung von Edgar R. Anschläge gegeben, bei denen 185 Menschen getötet wurden, darunter Dutzende Polizisten.
Zwar bekannte sich die islamische Sekte Boko Haram dazu, die westlichen Lebensstil und das Christentum ablehnt. Doch Sicherheitsexperten gehen davon aus, dass die Sekte dazu von Terror-Profis geschult worden sein muss. Zu Jahresbeginn hatten die Islamisten den Christen im Norden Nigerias ein Ultimatum gestellt. Sie sollten innerhalb von drei Tagen die Region verlassen. Mindestens 10 000 Christen waren aus dem Norden geflohen.
Französische und US-amerikanische Sicherheitsexperten glauben, dass der Ableger von El Kaida im islamischen Magreb (Aqim) auch in Nachbarstaaten wie Mali und Mauretanien tätig ist. Aqim soll sich über Entführungen finanzieren.
Seit 2007 werden ihr über 50 Kidnappings zugeschrieben, bei denen sie über 130 Millionen Dollar zur Finanzierung ihres Kampfes eingenommen haben soll, heißt es in den US-amerikanischen Fox-News. Von einer „eskalierenden Bedrohung“ spricht Jennifer Cooke, Direktorin des Afrika-Programms vom Center for Strategic and International Studies in Washington. „Die nigerianische Regierung reagiert zu langsam.“