Das Entsetzen war groß. Als vor genau drei Jahren, am 2. Juli 2011, der damalige Papst Benedikt XVI. den Kölner Weihbischof Rainer Maria Woelki zum neuen Erzbischof von Berlin ernannte, ging ein Aufschrei durch die Hauptstadt. Auf den theologisch eher schlichten, aber offenen, menschlich sympathischen und liberalen Georg Kardinal Sterzinsky sollte nun, so fürchteten viele, ein konservativer Hardliner die Geschicke in der Diözese leiten – ein Zögling des ultrakonservativen Kölner Kardinals Joachim Meißner.
Drei Jahre später ist das Entsetzen wieder groß. Dass ihr Erzbischof wieder in seine alte Heimat zurückkehrt und Erzbischof von Köln werden soll, erfüllt die Katholiken in Berlin und Brandenburg mit einer gewissen Trauer. Gerne hätten sie ihn behalten. Denn innerhalb kürzester Zeit hat es der 57-Jährige geschafft, alle Vorbehalte gegen ihn zu entkräften und seine Kritiker zu widerlegen. Als rheinische Frohnatur ging der gebürtige Kölner ohne Scheu auf die Menschen zu, suchte das Gespräch und den Austausch, pflegte den Dialog ohne Vorbehalte und zeigte sich von einer weltoffenen und durchaus liberalen Seite, ohne die Kernpunkte der katholischen Lehre infrage zu stellen.
Schon äußerlich setzte der schlanke, groß gewachsene Asket Zeichen. Nach seinem Wechsel vom Rhein an die Spree bezog er eine schlichte Mietwohnung im fünften Stock eines Altbaus im Berliner Problembezirk Wedding mit hoher Arbeitslosigkeit und hohem Ausländeranteil. Eine Haushälterin hat er nicht, mehrfach wurde der Kardinal an einer Curry-Wurst-Bude in der Nähe seiner Wohnung oder im Supermarkt an der Kasse gesichtet. Für kurze Wege benutzt er gerne sein Fahrrad, für weitere Strecken bevorzugt er die Bahn. Und über die Leistungen seines Lieblingsvereins FC Köln konnte er ebenso angeregt plaudern wie über die Freuden des Kölner Karnevals.
Rasch suchte er das Gespräch mit seinen Kritikern, unter anderem mit dem Berliner Schwulen- und Lesbenverband. Öffentlich distanzierte er sich vom Opus Dei und emanzipierte sich auch von seinem Ziehvater Joachim Meißner. Woelki steht innerhalb des deutschen Episkopats für einen moderaten Reformkurs und eine gewisse Öffnung, beispielsweise beim Umgang mit Geschiedenen und Wiederverheirateten.
Mit der Rückkehr in seine Geburtsstadt Köln schließt sich für Woelki der Kreis. Er verlässt den politisch bedeutsamen Posten in der Hauptstadt, um an die Spitze der reichsten und mächtigsten Diözese Deutschlands zu rücken. Ein deutlicher Karrieresprung. Statt für 400 000 Katholiken ist er künftig für zwei Millionen zuständig. Sein Gewicht innerhalb der Bischofskonferenz wie des Kardinalkollegiums dürfte damit weiter zunehmen, zumal er auch theologisch mit Papst Franziskus auf einer Linie liegt.