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Ein sehr gewagtes Militär-Manöver
Stefan Lange (51) ist neuer Leiter des Hauptstadtbüros unserer Zeitung. Zuvor arbeitete er als Teamleiter Politik im Berliner Büro von Dow Jones Newswires und dem Wall Street Journal. Lange ist seit 2001 in Berlin und hat dort unter anderem bei verschiedenen Nachrichtenagenturen gearbeitet. Davor war der gebürtige Friese zwölf Jahre lang als Volontär und Redakteur bei einer Tageszeitung in Jever beschäftigt.
Stefan Lange
 |  aktualisiert: 05.01.2020 02:10 Uhr

Die Älteren werden sich vielleicht noch an „Kecker Spatz“ erinnern. Im September 1987 bretterten rund 75.000 Soldatinnen und Soldaten bei diesem Militärmanöver durch Baden-Württemberg und Bayern. Mit ihren Panzern und schweren Lkw pflügten sie Felder um, rissen Häuserecken weg und machten Straßen unbrauchbar. Vor dem Hintergrund des Kalten Krieges zwischen Westmächten und Ostblock schienen sie jedoch notwendig. Nach vielen Jahren geht es jetzt wieder los: Anfang nächsten Jahres werden 37.000 Soldaten in Deutschland den Krieg üben. „Defender 2020“ ist das nach US-Angaben größte Manöver der letzten 25 Jahre – und die Frage ist: Was soll das?

Die USA wollen ihre Handlungsfähigkeit beweisen

Die Menschen in den Nato-Frontstaaten des Baltikums sowie in Polen haben Angst vor dem russischen Bären. Am Beispiel der Krim erlebten sie, wie schnell sich Moskau fremdes Territorium einverleibt, ohne dass andere Staaten eingreifen. Das Manöver „Defender 2020“ soll Polen und Balten zeigen, dass sie nicht ohne Schutz sind. Die USA wollen beweisen, dass sie schnell 20.000 Soldaten über den Großen Teich bringen und mit den Armeen vor Ort zu einer mächtigen Streitkraft formen können, um die Russen in Schach zu halten. Doch die Furcht lässt sich durch militärische Machtdemonstrationen nicht vertreiben.

Gewalt erzeugt Gegengewalt, diese Regel können auch die USA nicht außer Kraft setzen. Ganz im Gegenteil: Es ist kein Zufall, dass „Defender 2020“ in die Zeit von US-Präsident Donald Trump fällt. Der Amerikaner ist ein ähnlich selbstverliebter und krawallorientierter Politiker wie sein Gegenstück Putin. Trump und Putin sind alte Männer, was hier deshalb erwähnt werden muss, weil sie noch dem analogen Krieg frönen, in dem Befehlshaber Panzer und Truppen in Stellung bringen und trauernden Familienangehörigen feierlich einen Orden überreichen. Diese Relikte bestehen fort, weil die Rüstungsindustrie Verträge erfüllen und ihre Lager leeren muss, bevor sie gänzlich auf den Krieg 4.0 umrüstet, der mit Drohnen und Computern geführt wird.

Das Risiko besteht, dass es zu Missverständnissen kommt

Trump geht auf Kosten Deutschlands das Risiko ein, dass es an der Grenze zu Missverständnissen kommt. Der Grat zwischen Übung und Ernstfall ist schmal. Nicht ohne Grund wurden im Wiener Dokument Regeln für Manöver wie „Defender 2020“ festgelegt. Aktivitäten müssen rechtzeitig angekündigt werden, ab einer bestimmten Anzahl von Waffen und Soldaten sind Beobachter hinzuzuziehen. Das Auswärtige Amt sah sich denn auch bereits veranlasst, „maximale Transparenz“ zu versichern, „um Vertrauen zu bilden und eine Bedrohungswahrnehmung bei anderen gar nicht erst aufkommen zu lassen“.

Statt den Krieg zu üben, wären Russland und die USA besser beraten, endlich das Nachfolgedokument zum Vertrag über Konventionelle Streitkräfte in Europa (KSE) zu ratifizieren. Damit würde ein militärisches Gleichgewicht auf niedrigem Niveau hergestellt, was allemal viel besser ist als damit anzugeben, wer die größten Truppen und den dicksten Panzer hat.

Deutschland sollte sich vor dem Hintergrund seiner Geschichte in Demut und Abrüstung üben, doch das Gegenteil ist der Fall. „Die Übung ist Ausdruck unserer transatlantischen Solidarität und fügt sich in ständige Bemühungen, die Verteidigungsfähigkeit zu stärken“, erklärte die Regierung in vorauseilendem Gehorsam. Gleichzeitig schwant Schwarz-Rot, dass „Defender 2020“ bei der Bevölkerung einigen Stress auslösen wird: „Während der Osterfeiertage“, versprach das Verteidigungsministerium bereits, „soll es zu keinen Truppenbewegungen kommen.“

 
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