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PARIS
Ein Schnellkochtopf voller Plutonium
Von unserer Korrespondentin Birgit Holzer
 |  aktualisiert: 16.08.2013 19:45 Uhr

Gesucht werden: 4000 Dampfdruckkochtöpfe aus rostfreiem Stahl für den Transport „sensibler Materialien“, die ein hohes Sicherheitsniveau und perfekt kontrollierbare Verschließbarkeit garantieren und ein Volumen von 17 Litern fassen. Die Ausschreibung stammt nicht etwa von einer Großküche und mit „sensiblen Materialien“ sind keine profanen Kartoffeln gemeint.

Vielmehr ist es das Nuklearforschungszentrum von Valduc in der Bourgogne, bekannt für die Konzeption und Herstellung von Bestandteilen von Atomwaffen, das per Internet einen Lieferanten für diese ungewöhnliche Großbestellung sucht. Die Haushaltsgeräte werden für nichts Geringeres benötigt als für die Aufbewahrung und Lagerung nuklearen Materials.

„Ganz unspektakulär“, versuchte der Direktor der Anlage von Valduc, François Bugaut, zu beschwichtigen, nachdem die Anzeige für einigen Medien-Wirbel sorgte. „Wir benutzen bereits seit den 60er Jahren Schnellkochtöpfe, von Zeit zu Zeit muss man den Bestand erneuern. Sie dienen dazu, das Material zu verpacken und zu lagern, vor allem Plutonium.“ Die Dampfdruckkochtöpfe hätten einfach das beste Preis-Leistungs-Verhältnis, seien sehr robust und unzerbrechlich bei einem Sturz auf den Boden. Sie könnten vor Strahlung schützen und Staubteilchen abhalten. Lediglich das Ventil am Deckel werde ausgebaut. Mitsamt ihrem strahlenden Inhalt blieben sie selbstverständlich auf dem Gelände, also kein Grund zur Panik.

Dass es sich um ein profitables Geschäft für seine Branche handelt, bestätigte ein Mitarbeiter des französischen Küchenwaren-Herstellers SEB ebenfalls im Radio: Sein Arbeitgeber habe schon tausende solcher „Schnellkocher“ an die Atomindustrie geliefert. Auch Alain Houpert, Vorsitzender der Umwelt-Vereinigung Seiva, erklärte, eigens für die Lagerung hergestellte Behälter würden ein Vermögen kosten und wären auch nicht besser als handelsübliche Dampfdruckkochtöpfe: „Alle Nuklearanlagen in der ganzen Welt verwenden sie.“

Zwar erscheint die Toleranz gegenüber möglichen Risiken der Atomkraft in Frankreich traditionell höher als in vielen Nachbarländern und auch die Endlagerdiskussion findet kaum statt. Doch ist auch die französische Öffentlichkeit vor allem seit der Nuklear-Katastrophe im japanischen Fukushima sensibilisiert. „Man präsentiert uns Valduc als einen High-Tech-Ort, so dass man sich eigentlich nicht vorstellen kann, dass es mit ganz banalen Schnellkochtöpfen arbeitet. Die Frage ist also, was genau damit gemacht wird“, sagt Michel Marie, Sprecher der Bewegung Cedra gegen das Vergraben radioaktiver Abfälle.

Auch stößt es auf beunruhigtes Erstaunen, dass ausgerechnet der Ableger des staatlichen Kommissariats für Atom- und Alternative Energien, der Atomköpfe für das französische Militär herstellt und somit die Verteidigungskraft des Landes mit gewährleisten soll, sein Material mit einer öffentlichen Ausschreibung im Internet sucht, bei der die Verwendung detailgetreu beschrieben wird. Gehört das zur neuen Strategie einer offeneren Informationspolitik der Atomindustrie, der sonst oft vorgeworfen wird, im Verborgenen zu agieren?

 
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