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KAIRO
Ein Mord und 529 Todesurteile in Ägypten
Wachposten: Ägyptische Polizisten vor dem Gericht in Minja, das 529 Mursi-Anhänger zum Tod verurteilt hat.
Foto: dpa | Wachposten: Ägyptische Polizisten vor dem Gericht in Minja, das 529 Mursi-Anhänger zum Tod verurteilt hat.
reda
 |  aktualisiert: 24.03.2014 23:00 Uhr

Es ist das härteste Urteil in Ägyptens moderner Geschichte: Gegen 529 Personen verhängte ein Gericht im oberägyptischen Minja wegen Mordes an einem ranghohen Polizeioffizier die Todesstrafe. Nur 153 der Angeklagten waren während der gestrigen Urteilsverlesung anwesend, die anderen befinden sich auf der Flucht. Gegen das Urteil in erster Instanz kann Einspruch erhoben werden. Den Behörden zufolge handelt es sich bei den zum Tod verurteilten Männern um Anhänger der islamistischen Muslimbruderschaft.

Brutales Vorgehen

Nicht nur das Strafmaß, auch die Geschwindigkeit der Urteilsfällung ist beispiellos: Der Massenprozess hatte erst am Samstag begonnen. Schon am zweiten Verhandlungstag verkündeten die Richter das Urteil. Der Verteidigung beanstandete, sie habe keine Möglichkeit gehabt, ihre Argumente vorzubringen.

Den Mord am Polizeioffizier Mustafa el-Attar sollen die Verurteilten am 14. August des vergangenen Jahres begangen haben, nur Stunden, nachdem Armee und Polizei in Kairo ein Gemetzel mit mehr als 700 Toten unter Demonstranten der Muslimbrüder angerichtet hatten. Als Reaktion auf das brutale Vorgehen der Sicherheitskräfte stürmten damals Islamisten im ganzen Land Polizeistationen und andere staatliche Einrichtungen.

Die Verteidigung prangerte den Prozess als politisch motivierte Farce an. „Keine Beweise, keine Zeugen, keine Verteidigung: Dies ist eine Verletzung der Rechte der Angeklagten in einer bisher nie da gewesenen Weise“, teilte Chaled el-Komi, einer der Anwälte, in einer ersten Reaktion gegenüber Medien mit.

Seit dem Sturz des frei gewählten Präsidenten Mohammed Mursi im Juli 2013 hat die Justiz mehrfach mit drakonischen Strafen gegen dessen Anhänger Empörung hervorgerufen. Im November verurteilte ein Richter in Alexandria 21 Schülerinnen, die an einer nicht genehmigten Demonstration teilgenommen hatten, zu je elf Jahren Haft. Nach Eingreifen des Präsidenten Adli Mansur wurden die Urteile in Bewährungsstrafen umgewandelt. Vor fünf Tagen bekamen 17 Studenten der religiösen Al-Azhar-Moschee je 14 Jahre wegen Vandalismus‘ aufgebrummt.

Für die schweren Massaker an Mursi-Anhängern im vergangenen Sommer sind bis heute hingegen nur vier Polizisten zur Rechenschaft gezogen worden. Ein Offizier wurde wegen Totschlags in 37 Fällen zu zehn Jahren Haft verurteilt. Drei seiner Kollegen bekamen je ein Jahr auf Bewährung.

In den vergangenen 30 Jahren haben ägyptische Gerichte insgesamt 709 Mal die Todesstrafe verhängt, 248 Personen wurden in diesem Zeitraum hingerichtet. Seit der Jahrtausendwende ist die Zahl der Todesstrafen jedoch stark rückläufig.

Dramatische Trendwende

Das nun gefällt Urteil markiert eine dramatische Trendwende und wird kaum zur Entspannung der tiefen politischen Krise am Nil beitragen. So rief die Muslimbruderschaft ihre Anhänger gestern über soziale Netzwerke zu neuen Protesten auf. Auf der Sinaihalbinsel erschossen Unbekannte Stunden nach der Urteilsverkündung einen Polizisten. Trotz der angespannten Sicherheitslage will die Regierung noch vor Sommer Präsidentschaftswahlen abhalten. Als aussichtsreichster Kandidat auf das höchste Staatsamt gilt Armeechef Abdel Fattah al-Sisi, der maßgeblich für den brutalen Kurs gegen die Islamisten verantwortlich zeichnet.

 
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