Sie erzählt ihre Geschichte. Als Gast in Talkshows wie der von Markus Lanz (ZDF), im Interview mit der BBC und natürlich in ihrer Biografie „Ich bin Malala“. Ihre Sätze klingen geschliffen, eher nach einer Erwachsenen als nach einer 16-Jährigen. Die westlichen Medien feiern Malala Yousafzai, das Mädchen, das von den Taliban niedergeschossen wurde und überlebte. Gestern erhielt sie den Sacharow-Preis des EU-Parlamentes – und sie ist für den Friedensnobelpreis nominiert, der heute vergeben wird. Die Pakistanerin wäre die jüngste Preisträgerin in der Geschichte – unumstritten ist ihre Nominierung jedoch nicht.
Fast genau vor einem Jahr, am 9. Oktober 2012, wurde Malala Yousafzai im Swat-Tal in Pakistan von Taliban-Aufständischen in den Kopf geschossen. Die Attentäter griffen sie und ihre Freundinnen in einem Schulbus an. Sie wollten ein Zeichen setzen, denn Malala galt als Stimme der Mädchen und Frauen. Für den britischen Sender BBC hatte sie bereits 2008 ein Online-Tagebuch aus Urdu geführt. Sie schrieb über Schießereien und Explosionen, über Plünderungen und das Leben im Bürgerkrieg. Sie erhielt einen Friedenspreis der pakistanischen Regierung, wurde berühmt – und zur Bedrohung für die Taliban.
Nach dem Überfall im Schulbus konnte Malalas Leben mit einer Notoperation gerettet werden, zur Weiterbehandlung wurde sie mit ihrer Familie nach Großbritannien geflogen. Inzwischen fast vollständig genesen, kämpft sie dort weiter für ihren Traum: „Ich möchte meine Zukunft nicht eingesperrt in den vier Wänden meines eigenen Hauses verbringen müssen“, sagte sie im Interview mit der BBC.
Ihre Geschichte bewegt, weltweit beachtet wurde ihre Rede vor den Vereinten Nationen. Dort sprach Malala an ihrem 16. Geburtstag, im Juli dieses Jahres. Mit hellem, rosafarbenen Kopftuch stand die zierliche Jugendliche am Mikrofon. Ruhig, ohne Stottern, mit klarer Stimme, forderte sie Bildung für alle. Dann schnellte ihr rechter Zeigefinger nach oben, verlieh dem Satz Nachdruck, den seitdem alle Welt zitiert: „Ein Kind, ein Lehrer, ein Buch und ein Stift können die Welt verändern.“ Vielleicht ist es gerade diese Souveränität, die Kritiker gegen die Jugendliche aufbringt. Auf ihrer Facebook-Seite finden sich neben motivierenden und stolzen Einträgen auch wütende Postings.
Da sich die Familie von einer Medienagentur beraten lässt, sei alles nur „inszeniertes Drama“, es gäbe „30 000 Malalas“ in Pakistan, die für mehr Freiheit kämpften. Auch Verschwörungstheorien werden verbreitet: Radikale Kleriker mutmaßen, das Mädchen sei vom Westen gezielt aufgebaut worden, um dem Islam zu schaden. Dem gegenüber steht Malalas Nominierung für den Friedensnobelpreis. Ihr Schicksal ist zur Inspiration für Millionen Menschen in ihrer Heimat geworden, die sich nach Wandel und Modernisierung sehnen. Gleich mehrere Regierungen weltweit haben sie deshalb für die diesjährige Auszeichnung vorgeschlagen. Dennoch gibt es Bedenken, der Preis könne eher Bürde denn Hilfe sein. „So sehr man einem Anliegen die Aufmerksamkeit wünscht, so schwierig ist es auf der persönlichen Ebene für einen so jungen Menschen, mit der Aufmerksamkeit umzugehen“, sagt der Friedensforscher Tilman Brück vom Institut Sipri in Stockholm der dpa.
Todesdrohung der Taliban
Er hielte die Wahl Malalas für ethisch bedenklich. „Einem Kind einen Preis für Erwachsene zu verleihen, fände ich befremdlich. Vor allem, wenn man bedenkt, was damit für ein Medienzirkus verbunden ist.“ Ohne Zweifel stünde Malala nach der Bekanntgabe im Mittelpunkt des Weltinteresses – und wäre so auch ihren Gegner noch präsenter. Dem Nobelkomitee, das in jüngerer Vergangenheit für seine Vergabe des Preises an die EU (2012) und an US-Präsident Barack Obama (2009) Kritik einstecken musste, steht wieder keine leichte Entscheidung bevor.
Malala Yousafzai selbst will irgendwann nach Pakistan zurückkehren – auch wenn die Taliban bereits angekündigt haben, sie würden erneut versuchen, sie zu töten. Die Drohung folgte prompt auf die Veröffentlichung ihrer Biografie vor wenigen Tagen. Auf dem Cover des Buches sieht man Malala mit pinkem Kopftuch, die dunklen Augen blicken den Betrachter direkt an.
1985 ging ein ähnliches Bild um die Welt, auf dem Titel des Magazins „National Geographic“. Das Foto eines afghanischen Mädchens mit grünen Augen wurde in den Medien zum Symbol für das Leid in Afghanistan. Malalas Bild könnte nun zum Symbol für das Recht auf Bildung werden. Mit Informationen von dpa