
Die Mitarbeiter freuten sich am Donnerstag schon aufs verlängerte Osterwochenende. Endlich vier Tage frei. Wie jeden Abend nach Dienstschluss schlossen sie die Eingänge des Londoner Unternehmens „Safe Deposit Company“ ab, schalteten die Alarmanlage an und schwirrten aus.
Was folgte, erinnert an Hollywoodfilme: Im Londoner Diamantenviertel Hatton Garden, hinter der Tür, über der die Hausnummer 88-90 prangt, ereignete sich in diesen Tagen wohl einer der spektakulärsten Einbrüche in der Geschichte Großbritanniens. Während Angestellte und Kunden die Osterfeiertage genossen, verschafften sich Einbrecher Zugang zum Aufzugschacht und seilten sich in den Keller ab.
Von Armreifen bis zu Uhren
Medienberichten zufolge benutzten sie schweres „Gerät“, um zwei Reihen dicker metallener Gitterstäbe aufzuschneiden. Dann schalteten sie die komplizierte Alarmanlage des Gebäudes aus und brachen in den Tresorraum ein. Dort boten sich ihnen 600 Schließfächer mit Schmuck, Edelsteinen, Juwelen, Wertsachen. Und sie hatten ausreichend Zeit.
300 Safes knackten sie, packten alles ein, was ihnen in die Finger kam. Antike Armreifen, juwelenbesetzte Ketten, kostbare Uhren. Dann verschwanden sie. Wann genau, weiß bislang niemand. Erst am Dienstagmorgen fiel der Einbruch auf, um 8.10 Uhr riefen Mitarbeiter die Polizisten von Scotland Yard.
Dabei löste bereits am Karfreitag etwas Alarm aus. Ein Sicherheitsmitarbeiter eilte zu dem Gebäude, ging Berichten zufolge ins Gebäude, schaute durch die Tür, die Fenster, konnte jedoch nichts Auffälliges entdecken. Also verschwand er wieder. Standen die Einbrecher zu diesem Zeitpunkt bereits im Tresorraum und schwitzten aus Angst, entdeckt zu werden? Die Ermittlungen laufen noch. „Angesichts der Lage in Hatton Garden wäre ich nicht überrascht, wenn sich der Wert der gestohlenen Dinge um die 200 Millionen Pfund bewegen würde“, sagte der frühere Chef der Einsatzgruppe, Roy Ramm, gegenüber der BBC. Die Einbrecher könnten demnach Diebesgut im Wert von umgerechnet rund 275 Millionen Euro erbeutet haben.
Gleichwohl geht der Experte davon aus, dass der genaue Betrag wohl nie festzustellen sei. „Darüber herrscht eine Art altmodische Verwegenheit“, so Ramm. Die Summe an geklautem Geld und Waren würde nie ganz verraten werden. Noch aber ist nicht einmal klar, welche Kunden in welchem Ausmaß betroffen sind. Manche verfügten Medien zufolge nicht einmal über eine Versicherung.
Die Firma „Safe Deposit Company“ gilt als renommiert, schon seit 1954 lagern dort vor allem Händler aus der Gegend, aber auch Kunden aus aller Welt ihre wertvollen Gegenstände. Es sei eine „sichere und kostengünstige Lösung, um wichtigen und unersetzlichen persönlichen Besitz aufzubewahren und zu schützen“, wirbt das Unternehmen auf seiner Webseite.
Es ist nicht das erste Mal, dass es das Viertel Hatton Garden trifft. Hier befindet sich das Edelsteinzentrum der britischen Hauptstadt, Juweliere und Schmuckhändler dominieren das Straßenbild, schon seit dem 19. Jahrhundert ist die Gegend für ihr funkelndes Image berühmt. Und lockt gerne Diebesbanden an.
Bereits in den Jahren 1975 und 2003 sind Kriminelle in Tresorräume in der Straße Hatton Garden eingebrochen und haben Safes ausgeräumt. London, wo viele Reiche ihr Vermögen bunkern oder Geld in Luxusartikel anlegen, scheint ein attraktives Pflaster für geldgierige Gauner zu sein. Im Nobelviertel Knightsbridge ereignete sich 1987 einer der größten Raubüberfälle, die das Königreich je gesehen hat. Zwei bewaffnete Diebe erbeuteten umgerechnet rund 82 Millionen Euro.
2009 raubten zwei Männer im vornehmen Stadtteil Mayfair in der noch vornehmeren New Bond Street das Luxus-Schmuckgeschäft „Graff“ aus. Colliers, Armbänder, Uhren und Ringe – je mehr Diamanten ein Stück enthielt, desto besser. Doch über ihre Beute im Wert von etwa 47 Millionen Euro konnten sich die Räuber nicht sehr lange freuen. Sie wurden kurz darauf geschnappt.
Welches Ende der hollywoodreife Auftritt vom Osterwochenende nimmt, ist noch völlig offen. Die Spurensuche geht weiter.