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DAMASKUS
Ein Flüchtlingslager wird zur Hölle
Vollkommen zerstört: Ein palästinensischer Kämpfer geht durch die Trümmer des im Süden von Damaskus liegenden Stadtteils Jarmuk.
Foto: YOUSSEF BADAWI, dpa | Vollkommen zerstört: Ein palästinensischer Kämpfer geht durch die Trümmer des im Süden von Damaskus liegenden Stadtteils Jarmuk.
reda
 |  aktualisiert: 10.04.2015 19:02 Uhr

Das palästinensische Flüchtlingslager Jarmuk ist vom Bürgerkrieg in Syrien so heftig getroffen worden wie kaum ein anderer Ort. Seit zwei Jahren hat das Regime eine Blockade über das Viertel verhängt. Weil es kaum Bilder und Informationen aus dem Lager gibt, fand das Leiden bisher nur wenig Aufmerksamkeit. Auch jetzt können etwa Fotografen nur unter Einsatz ihres Lebens Bilder machen, Telefon- oder Internetverbindungen nach Jarmuk gibt es kaum.

Weil Jarmuk von der Außenwelt abgeschnitten ist, müssen die Menschen hungern. Die Gesundheitsversorgung ist äußerst prekär. Mit dem IS-Vormarsch wird das Leiden noch größer. Die Vereinten Nationen schlagen Alarm. Palästinensische Milizen wollen nun die Extremisten vertreiben.

Wer lebt in dem Flüchtlingslager?

Das Lager wurde 1957 gegründet. Damals fanden hier palästinensische Flüchtlinge aus dem ersten arabisch-israelischen Krieg 1948 und ihre Nachkommen Unterschlupf. Über die Jahre entwickelte sich Jarmuk am südlichen Rand der Hauptstadt Damaskus zu einem normalen Viertel mit Wohnhäusern und Geschäften. An die Ursprünge als Flüchtlingslager erinnern noch die schmalen Straßen. Die Zahl der Palästinenser wuchs auf rund 150 000. Jarmuk galt bis zum Ausbruch des Bürgerkriegs vor mehr als vier Jahren als besonders lebendig. Jetzt sollen noch rund 16 000 Menschen in Jarmuk leben, darunter rund 3500 Kinder.

Wie ist die humanitäre Lage in Jarmuk?

2013 übernahmen Regimegegner die Kontrolle über Jarmuk. Seitdem blockiert das syrische Militär die Zugänge zum Lager. Mehr als 100 Opfer sollen verhungert sein. Medien berichteten, die Menschen ernährten sich von Blättern. Laut der Hilfsorganisation Jafra gibt es seit sechs Monaten kein fließendes Wasser. Auch medizinische Güter fehlen, Verletzte können nicht versorgt werden. Märkte sind geschlossen, Häuser zerbombt. Die Menschen wagen sich wegen der Gefechte nicht mehr auf die Straße. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon beschrieb die Lage mit drastischen Worten: „Im syrischen Horror ist das Flüchtlingslager Jarmuk die tiefste Hölle.“

Welche palästinensischen Gruppen kämpfen in Jarmuk?

Lange hatte das Generalkommando der Volksfront zur Befreiung Palästinas – Generalkommando (PFLP-GC) das Sagen in Jarmuk. Die prosyrische Gruppe blieb dem Regime auch nach Ausbruch des Bürgerkriegs treu, obwohl sich viele Palästinenser aus dem Konflikt heraushalten wollten. Sie steht in Konkurrenz zu der bewaffneten Gruppe Iknaf Beit al-Makdis (Beschützer Jerusalems), die gegenüber der palästinensischen Hamas loyal ist und Syriens Regime ablehnt. Allerdings kämpfen beide Gruppen jetzt Seite an Seite mit anderen palästinensischen Milizen. Unterstützt werden sie vom Regime in Damaskus.

Gegen wen kämpfen die Palästinenser?

Die IS-Terrormiliz konnte in der vergangenen Woche große Teile von Jarmuk unter Kontrolle bringen – die Palästinenser wollen die Extremisten wieder von dort vertreiben. Ebenfalls mit Kämpfern vertreten ist in dem Lager die Al-Nusra-Front, der syrische Ableger des Terrornetzwerks Al-Kaida. Die Gruppe verhielt sich in den vergangenen Tagen neutral. Sie hat zwar dieselbe Ideologie wie der IS, ist aber mit diesem verfeindet. Trotzdem gibt es in den Reihen der Nusra-Front Anhänger, die mit dem IS sympathisieren.

Welche Rolle spielt das Regime?

Syriens Regierung unterstützt nach mehrtägigen Verhandlungen in dieser Woche die palästinensischen Milizen. Die Armee feuert Artillerie, die Luftwaffe wirft Fassbomben ab. Darunter leidet vor allem die Zivilbevölkerung. Laut der Syrien-Expertin Lina Khatib vom Carnegie Middle East Center in Beirut hat das Regime den IS-Vormarsch in Jarmuk ermöglicht – so habe es einen Keil in die Reihen der Nusra-Front treiben wollen, die das Regime in anderen Teilen Syriens unter Druck setzt. Doch die Taktik ist gefährlich: Jarmuk liegt nur wenige Kilometer vom syrischen Präsidentenpalast entfernt.

 
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