
Noch vor zwei Jahren saß Laurent Gbagbo auf dem Stuhl des Präsidenten der Elfenbeinküste. An diesem Dienstag musste er auf dem Sitz des Angeklagten Platz nehmen. Zum ersten Mal richtet der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag über einen ehemaligen Staatspräsidenten. Und damit nicht nur über den Mann, der am Dienstag im tadellos sitzenden blauen Anzug mit weißem Hemd und dezent abgestimmter Krawatte auftrat. Es geht auch um die Glaubwürdigkeit dieses Gerichtes, das von den Vereinten Nationen als Instanz gegen Unmenschlichkeit eingesetzt wurde.
Bis Ende nächster Woche sollen die Richter (unter ihnen der deutsche Jurist Hans-Peter Kaul) entscheiden, ob die vorgelegten Beweise für ein Verfahren ausreichen. Denn Gbagbo soll für die Ermordung von rund 3000 seiner Landsleute die Verantwortung tragen. Dabei galt er einst als einer der Hoffnungsträger für ein modernes Afrika.
In den 1980er Jahren wurde der frühere Geschichtsprofessor wegen „subversiver Lehrtätigkeit“ vom Militärregime des Staates Elfenbeinküste verfolgt. Er floh ins französische Exil, kämpfte von dort aus für eine demokratische Regierung und ein Mehrparteiensystem. Im Jahr 2000 wählte die Bevölkerung den heute 67-Jährigen zum Präsidenten. Daraufhin scharte sein politischer Gegner, Alassane Ouattara, Tausende von Rebellen um sich und begann einen jahrelangen Krieg gegen den neuen Staatschef.
2007 kam es zu einem Friedensschluss. Als 2010 endlich freie Wahlen stattfanden, unterlag Gbagbo, klammerte sich aber an sein politisches Amt, überging alle internationalen Appelle, das Wahlergebnis anzuerkennen und ließ stattdessen seine Schergen von der Kette. Mehr als 3000 Menschen starben. Die Liste der Vorwürfe ist lang: Vergewaltigung, Mord, Massenmord, ethnische Säuberungen. In einem Dorf der Elfenbeinküste wurden 600 Menschen massakriert – vom Neugeborenen bis zum Greis. 2011 griffen französische Truppen ein, setzten Gbagbo fest und überstellten ihn nach Den Haag.
Doch so eindeutig, wie diese Darstellung der neuen Chefanklägerin, Fatou Bensouda, klingen mag, ist sie offensichtlich nicht. Sogar die UN selbst haben – unbeachtet ihrer unterstützenden Rolle beim Sturz Gbagbos – immer wieder darauf hingewiesen, dass die Rebellen selbst schwere Gewaltverbrechen begangen haben. Doch die stehen in Den Haag nicht vor Gericht. Gbagbos politischer Gegner, der ehemalige Rebellenführer Quattara, amtiert weiter als Präsident.
„Ein Teil der Bevölkerung hält das Verfahren für Siegerjustiz“, sagt ein deutscher Helfer, der weiter vor Ort tätig ist. Tatsächlich mussten sich die Ankläger bei ihren Recherchen im Land immer wieder anhören, der Gerichtshof agiere nicht unabhängig, sondern werde politisch gesteuert. Schließlich sei doch auffallend, dass mit Gbagbo ein Mann inhaftiert worden sei, der den französischen Einfluss zurückgedrängt habe. Unter dem jetzigen Präsidenten könne Paris dagegen nahezu ungehindert seine Politik durchsetzen.
Der Gerichtshof steht zweifellos unter Druck. Als die Institution vor zehn Jahren gegründet wurde, gab man ihr bis 2014 Zeit, um sich zu bewähren und zu zeigen, dass das Prinzip funktioniert: Politiker und Staatsmänner, die ihre Regime mit Gewalt errichteten, zur Verantwortung zu ziehen. Ein erfolgreicher Abschluss des Verfahrens gegen Gbagbo wäre daher ein Meilenstein. Ob es dazu kommt, dürften die nächsten Tage zeigen. Denn erst einmal müssen die Beweise als ausreichend anerkannt werden, um einem ordentlichen Verfahren überhaupt standhalten zu können.