Auch im Jahr des angekündigten Rückzugs der internationalen Truppen ist die Lage in Afghanistan prekär, herrscht vielfach Chaos in dem Land am Hindukusch. Doch es gibt auch Lichtblicke – zum Beispiel in Methalarm im Osten des Landes.
Dort hat der frühere deutsche Elitesoldat Reinhard Erös mit seiner Hilfsorganisation „Kinderhilfe Afghanistan“ etwas Erstaunliches geschafft. Er hat eine „Friedens-Universität“ gegründet, an der auch Frauen unterrichtet werden. Ein Affront für die Islamisten, aber auch eine Chance für künftige Generationen. Seit kurzem werden in Methalarm junge Frauen zu Journalistinnen ausgebildet, andere eignen sich Fähigkeiten in Land- und Forstwirtschaft an. Es geht um Wissen, das nach den vielen Jahren des Krieges dringend gebraucht wird. 1200 Frauen und Männer studieren dort. Sie werden auch von deutschen Referenten unterrichtet.
Wie aber reagieren die radikal-islamistischen Taliban, die universitäre Bildung für Frauen stets unterdrückt haben? Und was geschieht, wenn die Soldaten aus dem westlichen Ausland tatsächlich eines Tages abrücken? War dann alles vergebens?
Der Optimismus, mit dem Erös, solchen Bedenken begegnet, ist entwaffnend. „Mittel- und langfristig wird es eher besser, wenn die Ausländer nicht mehr da sind“, sagt er. „Bildungseinrichtungen verschonen die Taliban in den letzten Jahren. Sie wissen, dass sie mit früheren Angriffen auf Schulen ihr Ansehen in der Bevölkerung dramatisch verschlechtert haben.“ Dennoch sei das Land heute extrem unsicher. Aber anders als man es im Westen gemeinhin wahrnehme: „Die einfachen Leute sind in erster Linie von Bandenkriminalität und Korruption bedroht, während Behörden, Polizei und Politiker in der Tat Angst vor den Taliban haben müssen.“
Elitesoldat, Mediziner, Helfer
Erös ist überzeugt davon, dass nur Bildung langfristig die Situation in dem vom Krieg gezeichneten Land verbessern kann. Das ist die Strategie der „Kinderhilfe Afghanistan“. Dafür pendelt der 66-Jährige seit Jahren zwischen dem Hindukusch und der Oberpfalz. Erös gilt als exzellenter Kenner des Landes. Ende der 60er Jahre ging er zur Bundeswehr und wurde Elitesoldat. Es folgte eine medizinische Ausbildung zum Oberarzt beim Militär. Von 1986 bis 1992 nahm er sich eine Auszeit von der Armee. In dieser Zeit half er als Arzt, im Osten Afghanistans ein medizinisches Hilfsnetz aufzubauen – unter ständiger Lebensgefahr. Denn damals hatten die Sowjets das Land besetzt. Humanitäres Engagement werteten sie als Angriff auf ihre Interessen. Doch auch die einstige Supermacht war nicht in der Lage, den Willen der Afghanen zu brechen.
Motto „Mädchen an die Macht“
Aus dieser Zeit rührt der legendäre Ruf von Reinhard Erös bei Stammesführern und Dorfältesten im Osten des Landes her. Er spricht fließend Paschtun, die Sprache der Paschtunen, die die größte unter den vielen Volksgruppen im Land stellen. Erös liebt Afghanistan. Und er will helfen, dem Teufelskreis von Gewalt und Gegengewalt zu entkommen.
Sein Rezept: „Mädchen an die Macht, aber ohne dass es die Machos merken.“ Bildung für alle – also auch für Frauen. Gut ausgebildete Mütter, so seine Rechnung, erziehen ihre Kinder ganz anders – jedenfalls nicht zu Gotteskriegern. „Von 100 Vätern sagen 99 zu mir: ,Eine Universität kommt für meine Tochter nicht infrage. Das widerspricht unserer Tradition.‘ Doch die eine junge Frau von den 100, die von ihrer Familie die Chance erhält, kommt zu uns. Das ist ein Anfang.“
Genau dafür kämpft auch Friedensnobelpreisträgerin Malala Yousafzai. Sie stammt aus dem Nachbarland Pakistan und setzt sich trotz aller Gefahren für die Bildung von jungen Frauen in der Region ein. Beinahe hätte sie dafür mit ihrem Leben bezahlt. Die Taliban verübten einen Anschlag auf sie. Doch sie ließ sich nicht von ihrem Weg abbringen. Wie Reinhard Erös.
Dessen Kinderhilfe hat nicht nur die neue Uni, sondern auch 29 Schulen eröffnet, in denen rund 60 000 Schülerinnen und Schüler unterrichtet werden. Es gibt zwar bereits eine private US-Uni in der Hauptstadt Kabul, die „deutschem Niveau genügt“, sagt Erös. Doch dort kostet ein Semester 5000 Dollar. So wird eine Bildungsoffensive kaum Erfolg haben. In Metahlarm gibt es diese Hürde nicht. An der neuen „Friedens-Universität“, deren erster Bauabschnitt rund 2,5 Millionen Euro gekostet hat, wird das Studium ausschließlich aus Spendengeldern finanziert.
Das Spendenkonto der Kinderhilfe Afghanistan: Liga Bank Regensburg, IBAN DE08 750 903 000 001 325 000, BIC GENODEF1M05