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BRÜSSEL
Ein Debakel für die Grünen: Kandidatenkür als Urwahl
Detlef Drewes
Detlef Drewes
 |  aktualisiert: 29.01.2014 19:39 Uhr

Reinhard Bütikofer geriet während der vergangenen Wochen regelrecht ins Schwärmen, wenn man ihn auf die erste europäische Urwahl ansprach. „Ein spannendes Experiment“ und eine „kleine demokratische Revolution“ nannte der Chef der europäischen Grünen seine Erfindung: eine Abstimmung im Netz, die freie Wahl zwischen sechs Kandidatinnen und Kandidaten, Stimmrecht schon ab 16 Jahren. Die beiden Gewinner sollen die europäischen Grünen in die Europawahl führen. Nun steht fest: An der Spitze stehen die Brandenburgerin Franziska Keller und der französische Globalisierungsgegner José Bové.

Das Experiment dieser Urwahl war ein Debakel. Genau 22 656 Europäer von immerhin 380 Millionen Wahlberechtigten nahmen an der Abstimmung im Internet teil. Keller erhielt ganze 11 791 Stimmen, Bové 11 726. Die Quoten der anderen wurden zur Vorsicht erst gar nicht veröffentlicht. Zwar hatte Bütikofer es stets abgelehnt, offiziell eine Wunschzahl zu nennen. Intern sprach er schon einmal von „rund 100 000“, die teilnehmen müssten, um die Abstimmung zu einem Erfolg zu machen. Nun ist er noch einmal darunter geblieben. Nur wenig mehr als 0,006 Prozent der potenziellen Wählerinnen und Wähler fanden die grüne Idee wirklich gut. Bei den amerikanischen Primaries werden immerhin Werte zwischen fünf und 15 Prozent erzielt, was Bütikofer vor Wochen zu dem Satz greifen ließ: „Die Urwahl ist ein starkes Mobilisierungsinstrument.“ Am Mittwoch hieß es hinter vorgehaltener Hand, man hoffe nur, dass diese Beteiligung keine Rückschlüsse auf die Zahl derjenigen zulasse, die im Mai ihre Stimme abgeben.

Dabei hatten die Grünen wirklich alles getan, um das Voting im Netz zu einem realistischen Meinungsspiegel werden zu lassen. Um sicherzustellen, dass nicht einige wenige mehrmals abstimmen, hatte man sich ein System aus Online-Anmeldung und Verifizierung per Handy ausgedacht. Außerdem schickte man die Spitzenkandidaten quer durch Europa, um für sich, die Grünen und die Urwahl zu werben. Bütikofer betonte am Mittwoch, man habe deutlich machen wollen, dass die Bürger bei der Besetzung von Spitzenkandidaturen das Sagen haben. Aber die Botschaft kam offenbar nur sehr begrenzt an.

 
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