Die Nachricht schien wie ein Rückfall in schreckliche Zeiten: Der Chef der führenden irisch-republikanischen Partei Sinn Féin, Gerry Adams, ist von der Polizei in Nordirland festgenommen worden. Er wird seit Donnerstag zu einem Mordfall aus dem Jahr 1972 verhört. Damals wurde die 37-jährige Witwe Jean McConville von der irisch-nationalistischen Untergrundarmee vor den Augen ihrer Familie entführt und ermordet. Die IRA hielt die Mutter von zehn Kindern für eine Informantin der britischen Sicherheitsbehörden, was sich später als falsch herausstellte. Erst 2003 fand ein Fußgänger die Leiche der erschossenen Frau an der nordirischen Küste. Die Protestantin war mit einem Katholiken verheiratet und hatte für ihn ihre Konfession gewechselt.
Dass nun mit Gerry Adams ein hochrangiger Politiker zu dem Mord verhört wird, hat alte Wunden aufgerissen. Sollte es tatsächlich zu einer Anklage kommen, könnten die Unruhen wieder aufflammen. Denn noch längst haben sich nicht alle Gemüter der pro-irischen Katholiken und der pro-britischen Protestanten beruhigt. Den Ausschlag für die Festnahme Adams' sollen Aussagen zweier Ex-IRA-Mitglieder gegeben haben. Gerry Adams (65), eine Schlüsselfigur im Friedensprozess, nennt die Anschuldigung eine Lüge. Jean McConvilles Tod hatte er stets als „schweres Unrecht gegenüber ihr und ihrer Familie“ bezeichnet.
Der Fall sorgt drei Wochen vor der Europawahl insbesondere in Nordirland für Streit, wo die Sinn Féin gemeinsam mit der Demokratischen Unionspartei (DUP) regiert. Als „politisch motiviert“ bezeichneten Vertreter der Sinn Féin den Zeitpunkt der Festnahme.
Derweil meldete sich der Sohn von Jean McConville, der damals die Entführung seiner Mutter miterlebte, und sagte, er kenne die Täter, er sehe sie auf der Straße. „Aber ich kann nicht verraten, wer sie sind“, er habe Angst vor Racheaktionen. Seine Schwester Helen McKendry erklärte, sie würde der Polizei Namen nennen, nachdem der frühere Staatssekretär im Nordirlandministerium, Shaun Woodward, warnte, Adams' Festnahme sei ein gefährlicher Moment im Friedensprozess. Foto: Carl Court, afp