
Sonntag ist Autobahntag: Nur wenige Lastwagen sind unterwegs – die gefürchteten Elefantenrennen, die an den Nerven vieler Autofahrer zerren, finden nicht statt. Wer überlegt, wann er in die Ferne aufbricht, für den sind Sonntage in der Regel eine gute Wahl. Doch nun geht die Angst um, dass das Sonntagsfahrverbot für Lastwagen durch das neue Punktesystem in Flensburg für viele Fahrer seinen Schrecken verlieren könnte.
Wer seit dem 1. Mai seinen Tieflader oder Sattelschlepper – kurz alle Gefährte über 7,5 Tonnen – auf die Autobahn lenkt, muss zwar mit einem von 75 auf 120 Euro erhöhten Bußgeld rechnen, ein Punkt in Flensburg droht jedoch nicht mehr. Während der Lastwagenfahrer also bis vor kurzem im Wiederholungsfall um seinen Führerschein – also eventuell sogar um seinen Job – bangen musste, bleibt es nun bei einer Buße – die, wie Branchenkenner wissen, in vielen Fällen von den Speditionen übernommen werden.
So wird spekuliert, dass insbesondere ausländische Fernfahrer, gerade wenn sie für größere Speditionen unterwegs sind, ein mögliches Bußgeld achselzuckend in Kauf nehmen könnten. Denn auch sie fürchten Flensburg weit mehr als den Griff in ihre Brieftasche. Schließlich erhalten sie – wie Autofahrer aus dem Ausland – bei Verstößen Punkte in der zentralen Sammelstelle im hohen Norden. Zwar müssen sie nicht fürchten, dass ihr Führerschein eingezogen wird, aber ihnen droht der Entzug der Erlaubnis, in Deutschland zu fahren.
Das bayerische Innenministerium, zuständig auch für Verkehr, hält es allerdings für wenig wahrscheinlich, dass „illegale Lastwagen an Sonntagen die Autobahnen überschwemmen“, sagte Pressesprecher Michael Siefener gegenüber der „Augsburger Allgemeinen“. „Für die Lastwagen gibt es ein sehr hohes Entdeckungsrisiko. Lkw am Sonntag, die keine Ausnahmegenehmigung haben wie etwa Milchtransporter, fallen sofort auf. Die Polizei wird verstärkt auf die Einhaltung des Fahrverbots achten.“ Außerdem verweist Siefener auf die Möglichkeit, die Speditionen als Auftraggeber stärker zur Kasse zu bitten als die Fahrer.
Der ADAC will ebenfalls genau beobachten, wie sich das neue Punktesystem auswirkt. „Sollte sich zeigen, dass 120 Euro ihre abschreckende Wirkung verfehlen, muss über eine Erhöhung des Bußgeldes nachgedacht werden“, sagte ADAC-Pressesprecherin Katharina Luca. Die Polizei in Augsburg hat nach dem ersten Wochenende seit der Neuregelung noch keinerlei Erkenntnisse über spürbar mehr Lastwagenverkehr: „Der Sonntag nach den Osterferien ist allerdings traditionell ruhig. Wir müssen das langfristig auswerten“, sagte der Sprecher der Augsburger Polizei, Manfred Gottschalk.
Seit dem 1. Mai gilt das neue Punktesystem des Kraftfahrt-Bundesamts in Flensburg. Demzufolge reichen zwar bereits acht statt bislang 18 Punkte, um den Führerschein zu verlieren. Mit der Umstellung des Punktesystems auf das neue „Fahreignungs-Bewertungssystem“ werden die Punkte aber anders vergeben. So profitieren nun Fahrer mit Einträgen, die sich nur mittelbar auf die Verkehrssicherheit beziehen – beispielsweise Verstöße gegen Umweltzonen oder eben gegen das Lkw-Fahrverbot. Punkte für derartige Verstöße verfallen; von jetzt an kassiert man dafür nur noch ein Bußgeld.
Ansonsten gilt: Wer 4 bis 5 Punkte hat, wird ermahnt und bekommt den Tipp, an einem Fahreignungsseminar teilzunehmen. Mit 6 bis 7 Punkten gibt es zusätzlich eine Verwarnung. Mit Infos von dpa