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USA/DEUTSCHLAND
Drohnen: Bücher und Döner im Landeanflug
Einsatz von Drohnen: Die wendigen Fluggeräte lernen gerade das Arbeiten. In der Logistikbranche der Zukunft könnten sie eine bedeutende Rolle spielen – als 24-Stunden-Dienstleister ohne Anspruch auf Lohn.
Drohnen im Einsatz: Auf der Rheinwiese in Düsseldorf steigt ein Octocopter auf (oben). Das Fluggerät kann beispielsweise eine Kamera für Luftaufnahmen tragen. Oder ein Paket im Dienst für den Online-Versandhandel Amazon (unten) – das aber erst einmal im Test.
Foto: dpa | Drohnen im Einsatz: Auf der Rheinwiese in Düsseldorf steigt ein Octocopter auf (oben). Das Fluggerät kann beispielsweise eine Kamera für Luftaufnahmen tragen.
Tilmann Toepfer
Tilman Toepfer
 |  aktualisiert: 07.11.2019 19:15 Uhr

Drohnen taugen nicht nur für den Krieg. Sie verschaffen auch den Überblick in Hochwassergebieten – wie ein YouTube-Video zeigt, das eine Drohne am 3. Juni über dem Tal des Roten Mains zwischen Kulmbach und Bayreuth drehte (Siehe unten im Artikel). Als Transportmittel der Zukunft könnten die Fluggeräte Medikamente in die entlegensten Gebiete Afrikas bringen und Döner oder Pizza in Würzburg, Schweinfurt oder Bamberg vor der Haustüre landen lassen. Erst recht natürlich Bücherpakete, „dröhnt“ es vom Online-Händler Amazon. Der will in einigen Jahren Bestellungen mit automatischen Minidrohnen zustellen.

Der Konzern arbeite an eigenen Fluggeräten, enthüllte Gründer Jeff Bezos am Sonntag in einem US-Fernsehinterview. Die Idee sei, dass die Octocopter bestellte Ware binnen 30 Minuten zum Käufer bringen. Bezos schränkte allerdings ein, es seien noch weitere Tests und Zulassungen der Luftfahrtbehörde Federal Aviation Administration (FAA) nötig. Er rechne allerdings damit, diese Zustell-Option in vier bis fünf Jahren anbieten zu können. Einen Namen für den Service hat er jedenfalls schon: „Prime Air“.

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Die Dienstleistung dürfte kleinen und besonders eiligen Bestellungen auf kurze Entfernung vorbehalten bleiben: Die achtmotorigen Drohnen könnten Waren mit einem Gewicht von bis zu 2,5 Kilo transportieren und pro Lieferung etwa 16 Kilometer zurücklegen, sagt Bezos. Das Team der Sendung „60 Minutes“ im US-Kanal CBS konnte Prototypen der Drohnen bei Amazon filmen. Der Konzern demonstriert den Plan in einem Video, in dem eines der Fluggeräte eine Bestellung direkt vom Band eines Logistikzentrums abholt und damit vor einem Haus landet.

Auch der Film, den die englische Pizza-Kette Domino's Anfang Juni 2013 auf die Online-Filmplattform YouTube gestellt hat, dient in erster Linie Werbezwecken: ein Pizzabote bei der Auslieferung, die Pizzas sind schon in einer Spezialtasche, die die Wärme hält. Allerdings lädt der Mann seine Ware nicht in ein Auto oder hinten auf den Roller, sondern in eine Drohne. Genauer gesagt in einen sogenannten Octocopter, einen Minihubschrauber mit acht Rotoren. Gesteuert per Fernbedienung, überquert die essbare Fracht Häuser, Wälder und Flüsse und landet vor der Tür des Kunden, der seine Bestellung in Empfang nimmt. Domino's-Manager Simon Wallis betont hinterher in einer Mitteilung die Vorteile einer solchen Lieferung per Drohne: kein Stau, keine Adresssuche, kein Parkplatzärger. „Dadurch können wir noch schneller werden“, so Wallis.

Das deutsche Projekt Dönercopter will – vorerst in der Teststadt Freiburg – Döner zum Fliegen bringen. Der hungrige Döner-Fan muss, falls das Projekt gelingt, lediglich die entsprechende Smartphone-App herunterladen, sich via GPS lokalisieren, einen Dönerladen seiner Wahl in der Nähe auswählen und die Bestellung abschicken. Der Dönerlieferdienst via Quadrocopter macht dann den Rest.

Waren Drohnen anfangs kaum mehr als fernsteuerbare Fluggeräte, haben Forscher sie Schritt für Schritt lernfähig gemacht. Heute erkunden Drohnen unwegsames Gelände, warten Windkraft- und Photovoltaikanlagen, assistieren bei Rettungseinsätzen oder fotografieren sie von oben, wie die Minidrohne des freiberuflichen Fotografen Berthold Diem aus Hettstadt (Lkr. Würzburg), dessen Luftaufnahmen auch diese Zeitung regelmäßig veröffentlicht.

Das Team um Professor Sergio Montenegro von der Universität Würzburg arbeitet an einer Drohne, die Rettungskräfte bei ihrer oft gefährlichen Arbeit unterstützen soll. Mittels Ultraschallwellen kann sie sich selbstständig in Räumen orientieren, in denen beispielsweise durch Rauch oder Gas ein Mensch keine Chance hätte. Der Professor ist zuversichtlich, dass schon in ein bis zwei Jahren die ersten Drohnen im Einsatz sein könnten, um die Arbeit von Feuerwehr und Rettungsdienst ein bisschen ungefährlicher zu machen. Auf der Mainfrankenmesse, die im Oktober in Würzburg stattfand, berichtete der Informatikprofessor über die „Lebensretter mit Propeller“.

Immer größere Bedeutung bekommen die immer intelligenteren und daher vielseitigeren Fluggeräte für Kurierdienste. Zu den ernsthaftesten Projekten zählt der geplante Paket- und Medikamenten-Lieferdienst des US-Start-ups Matternet. Hier soll mithilfe eines ganzen Netzes von Quadrocoptern und entsprechenden Stationen die fehlende Infrastruktur in ärmeren Regionen der Erde überbrückt werden. Bis zu zwei Kilogramm Last können transportiert werden, Produkte und Medikamente sollen so auch in die entlegensten und schwer zu erreichenden Orte kommen. Immerhin lebt weltweit etwa eine Milliarde Menschen fernab von befestigten Straßen.

Wenn die Wege aus einer Folge von Schlammlöchern bestehen und aus Flüssen Seenlandschaften geworden sind, fliegen Minidrohnen mit Blutkonserven oder Medikamenten einfach drüber hinweg. Der Dienst soll schon 2015 einsatzbereit sein.

Drohnen sind die Zukunft der Logistik, glaubt Andreas Raptopoulos von „Matternet“. Jeder zweite Deutsche bestellt inzwischen Produkte online, der Absatzmarkt für Logistikdienstleistungen steigt somit rasant und bildet die Grundlage für einen stabil wachsenden Markt. Das Auto verliert in Bezug auf Warentransport dort an Bedeutung, wo die Infrastruktur ein schnelles Vorankommen verhindert. Der Einsatz von unbemannten, stromgetriebenen Fluggeräten hingegen birgt großes Potenzial. Der Begriff „Echtzeit-Lieferungen“ wird damit in Zukunft wohl in den Sprachduktus der Online-Käufer eingehen, und insbesondere in Ballungsgebieten kann die stau- und (fast) emissionsfreie Lieferung per Drohne klare Kosten- und Zeitvorteile für Sender und Empfänger mit sich bringen.

Die Drohne der Zukunft liefert allgegenwärtig – ein Traum für Logistikunternehmen. Eine Drohne bekommt keinen Lohn, schon gar keinen Mindestlohn, wird nicht müde und ist nicht in der Gewerkschaft. Frederick Smith, Gründer des US-Logistikriesen FedEx, sagte im Januar 2013 in einem Interview, dass man dort bereits an unbemannten Frachtflügen arbeite. Und auch beim Bundesverband der deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie schreibt man Drohnen eine „strategische Bedeutung“ für die Industrie zu. Kommt also schon bald unsere Post per Drohne?

Bis es so weit ist, könnten noch ein paar Jahrzehnte vergehen. Denn ein Drohneneinsatz in diesem Bereich birgt nicht nur logistische Schwierigkeiten: Wie bezahlt man die Pizza? Klingelt die Drohne beim Nachbarn, wenn man nicht zu Hause ist, um das Päckchen entgegenzunehmen? Was ist mit sensibler Post wie Einschreiben? Nicht zuletzt aus diesen Gründen sind Drohnen im Kundenverkehr bei der Deutschen Post momentan kein Thema, so Sprecherin Sabine Hartmann gegenüber dem Westdeutschen Rundfunk. Was nicht ausschließt, dass sich das ändern könnte: „Wir beobachten natürlich alle Innovationen am Markt und überlegen, welchen Nutzen wir für uns und unsere Kunden daraus ziehen können.“

Auch rechtlich muss man in Deutschland einige Vorschriften beachten. Drohnen wurden im Januar 2012 erstmals im deutschen Luftfahrtgesetz als Luftfahrzeuge anerkannt, geregelt wird ihr Einsatz in der Luftverkehrsordnung. Wer Drohnen zu kommerziellen Zwecken einsetzen will, braucht eine behördliche Genehmigung, eine sogenannte Aufstiegsgenehmigung. Die erteilt für die fränkischen Regierungsbezirke und die Oberpfalz die Regierung von Mittelfranken – mit stark steigender Tendenz.

Im ersten Halbjahr 2013 wurden 50 Genehmigungen erteilt, mehr als im gesamten Vorjahr (42).

Drohnen im Privatbesitz sind längst nicht mehr nur ein Fall für Bastler und Tüftler. Schon heute kann man im Fachhandel Drohnen mit HD-Kameras und WLAN-Verbindung für unter 300 Euro kaufen. Natürlich gibt es auch für die Drohnen in Hobby und Sport Vorschriften: Sie dürfen nicht höher als 100 Meter fliegen, müssen in Sichtweite des Piloten bleiben und dürfen nicht schwerer als 25 Kilogramm sein. Zudem gelten die Datenschutzbestimmungen auch in der Luft: Fotos oder Filmaufnahmen von Menschen oder privaten Grundstücken sind ohne Erlaubnis verboten.

Datenschützer sehen die Entwicklung der Integration von Drohnen in den Luftraum kritisch, weil sie die Menschen zunehmender Überwachung durch Behörden und Unternehmen ausgesetzt sehen. Durch entsprechende hochauflösende Kamerasysteme können große Gebiete in Echtzeit überwacht werden, auf denen selbst kleinere Details erkennbar sind. Datenschutzexperten wie der Berliner Datenschutzbeauftragte Alexander Dix fordern deshalb schon seit längerem ein Tätigwerden des Gesetzgebers.

Und natürlich gilt es enorme Sicherheitsprobleme zu lösen, falls die Vision von einer Welt Wirklichkeit wird, in der Drohnen vom Menschen vielfältige Aufgaben übernommen haben. Wenn sich erst Abertausende Quadro- und Octocopter mit Büchern oder auch Pillen im Gepäck durch die Häuserschluchten deutscher Städte und die Vorgärten der Stadtrandsiedlungen schrauben, sind Kollisionen und Abstürze die logische Folge. Doch bis es so weit ist, sind die Miniroboter aller Voraussicht nach intelligenter als heute schon und mit Anti-Kollisions-Systemen ausgestattet. Sie werden sich folglich ausweichen können – soweit jedenfalls die Theorie.

Minidrohnen

Kleine unbemannte Luftfahrzeuge werden Minidrohnen genannt. Die UAS-Kleinhubschrauber (Abkürzung für Unmanned Aerial System) haben vier oder mehr elektrogetriebene Rotoren und sind oft mit einer Kamera ausgerüstet. Polizei und Feuerwehr beispielsweise nutzen Ultraleicht-Fluggeräte bei der Überwachung von Großveranstaltungen oder der Waldbrandbekämpfung, bei Großbaustellen, der Verkehrslenkung oder beim Aufspüren von Umweltsündern. Sie können per Mausklick Strahlung messen oder die Entwicklung von Rauchwolken überprüfen und präzise Karten erstellen sowie Fabrikanlagen und Strommasten überwachen helfen. Bilder der Kamera werden zu einer Bodenstation gesendet und können dort aufgezeichnet werden. Die von verschiedenen Herstellern angebotenen Drohnen werden immer kleiner und billiger in der Anschaffung und damit auch bei Privatleuten populär. Die Preise für Einstiegsmodelle beginnen bei rund 100 Euro und erreichen bei sehr ausgefeilten Fliegern schnell mehrere Tausend Euro. Text: dpa

Das oben erwähnte Drohnen-Video vom Juni-Hochwasser zwischen Kulmbach und Bayreuth:

 
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