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BERLIN
Doping-Veröffentlichung erzwungen
Thomas Bach: Auch der DOSB-Präsident aus Tauberbischofsheim soll nach dem Willen der Opposition in einer Sondersitzung des Sportausschusses Rede und Antwort zum Thema Doping stehen.
Foto: dpa | Thomas Bach: Auch der DOSB-Präsident aus Tauberbischofsheim soll nach dem Willen der Opposition in einer Sondersitzung des Sportausschusses Rede und Antwort zum Thema Doping stehen.
Von unseren Redaktionsmitgliedern A. Muth und M. Schweidler
 |  aktualisiert: 05.08.2013 19:48 Uhr

Recherchen dieser Zeitung und der „Märkischen Oderzeitung“ zum Doping im Westen Deutschlands zeigen Wirkung: Monatelang war die Aufarbeitung auf der Stelle getreten, am Montag ging es plötzlich blitzschnell. Gegen Mittag teilte das Bundesinnenministerium mit: Ein bisher unter Verschluss gehaltener Bericht von Wissenschaftlern werde veröffentlicht. Vier Stunden später stand er auf der Internetseite des Bundesinstituts für Sportwissenschaft (BISp), das dem Innenministerium untersteht.

Die „Datenschutzgründe“ , die bis dahin einer Veröffentlichung im Wege gestanden haben sollen, waren offenbar plötzlich ausgeräumt. Auf die Frage, warum es plötzlich so schnell gehe, hieß es im Innenministerium, man habe „großes Interesse an einer lückenlosen Aufklärung der Doping-Geschichte in beiden Teilen Deutschlands“.

Forschergruppen aus Münster sowie der Berliner Humboldt Universität um Professor Giselher Spitzer hatten das Thema „Doping in Deutschland 1950 bis heute aus historisch-soziologischer Sicht im Kontext ethischer Legitimation“ untersucht. Doch die Veröffentlichung der Arbeit – die vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) 2008 initiiert und vom BISp mit 525 000 Euro bezuschusst worden war – hatte sich immer wieder verzögert. Die Forscher nennen Namen von teils noch aktiven Ärzten, Funktionären, Sportlern und Politikern und Dopingversuche sogar an Minderjährigen ab elf Jahren.

Beschrieben wird, wie umfangreich und systematisch während des Kalten Krieges auch im Westen gedopt wurde – nicht als Reaktion auf das Staatsdoping der DDR, sondern parallel dazu. Mitglieder der Bundesregierung sollen vor den Olympischen Spielen 1972 in München zur Verbesserung der Medaillenbilanz Druck auf Sportmediziner ausgeübt haben. Sportfunktionäre sollen Doping-Kritiker kaltgestellt und die Einführung effektiverer Kontrollen mindestens verschleppt haben. Recherchen dieser Zeitung legen den Verdacht nahe, dass vor Erteilung des Forschungsauftrages an die Universitäten Berlin und Münster heikle Akten vernichtet worden sind.

Spitzer machte aus seiner Freude am Montag keinen Hehl: „Ich begrüße sehr, dass diese wissenschaftlichen Berichte nun für jedermann einsehbar sind und diskutiert werden können. Dieses Ergebnis geht sicher zurück auf die Original-Dokumente über bundesfinanzierte Dopingforschung aus dem Bundesarchiv, die von 'Main-Post' und 'Märkischer Oderzeitung' recherchiert und in der vergangenen Woche veröffentlicht worden sind. Vorher war nur eine indirekte Beweisführung möglich.“ In der Studie der Humboldt Universität mussten sich die Forscher nämlich noch auf handschriftliche Notizen und Zeitzeugenberichte stützen. Nun spricht sich Spitzer dafür aus, die Studie zu komplettieren – es fehlt noch die Erforschung von 1990 bis heute.

„Die Deutsche Sporthilfe hat ein starkes Interesse an der umfassenden Aufarbeitung,“ betont deren Vorsitzender Michael Ilgner. „Nur ein komplettes Bild über die Strukturen der Dopingpraktiken in West und Ost wird es ermöglichen, Lehren für die Zukunft zu ziehen. Wir begrüßen alle Erkenntnisse, die dazu beitragen.“

Indessen fordert die Opposition den für Sport zuständigen Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) auf, in einer Sondersitzung des Sportausschusses Rede und Antwort zu stehen. Auch Projektleiter Spitzer, BiSP-Direktor Jürgen Fischer sowie DOSB-Präsident Thomas Bach sollen eingeladen werden. Die Sondersitzung soll am 29. August stattfinden.

-> Leitartikel Seite 2 -> Zeitgeschehen
 
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