Sein hoher Aufstieg und tiefer Fall wurden schon verfilmt mit Gérard Depardieu in der Hauptrolle. Bücher über ihn sind erschienen, die kein schmutziges Detail auslassen. Jetzt blickt das französische Publikum erneut gespannt auf neue Enthüllungen der Sex-Eskapaden von Dominique Strauss-Kahn. Am Montag beginnt im nordfranzösischen Lille der Prozess wegen „schwerer gemeinschaftlicher Zuhälterei“ gegen den einstigen Spitzenpolitiker und zwölf weitere Angeklagte. Sie riskieren bis zu zehn Jahre Gefängnis und eine Geldstrafe von bis zu 1,5 Millionen Euro.
Nach Überzeugung der Untersuchungsrichter handelt es sich um ein Netzwerk, das bis 2011 regelmäßig Sex-Partys mit Prostituierten in Luxus-Hotels oder angemieteten Wohnungen organisiert hat – mit Strauss-Kahn als „Partykönig“ und „zentralem Dreh- und Angelpunkt“, wie die Juristen schreiben: Je nach Aufenthaltsort des damaligen Direktors des Internationalen Währungsfonds (IWF) fanden die Orgien in Washington, Wien, Paris oder Lille statt.
Seine Teilnahme leugnet Strauss-Kahn nicht. Er behauptet aber, nicht gewusst zu haben, dass die Frauen für ihre Dienste bezahlt wurden. „Wenn Ihnen jemand seine Begleiterin vorstellt, fragen Sie doch nicht, ob sie eine Prostituierte ist“, argumentierte der 65-Jährige in einem Verhör. Mehrere der beteiligten Prostituierten haben ausgesagt, dass ihr Metier für ihn erkennbar gewesen sein muss – es habe sich um „sexuellen Konsum“ gehandelt. Einige berichteten von großer Brutalität des früheren Spitzenpolitikers. In einer SMS an einen seiner Freunde bezeichnete er Frauen herabwürdigend als „Material“.
Bereits seit 2011 wird in der sogenannten „Carlton“-Affäre ermittelt, unter anderem gegen den Besitzer und zwei Manager des gleichnamigen Nobelhotels in Lille, die im Verdacht stehen, für Kunden Prostituierte aus dem nahe gelegenen Belgien organisiert zu haben. Mit verwickelt sind außerdem ein Polizeikommissar, ein Bordellbesitzer mit dem Spitznamen „Dodo, der Salzhering“ und mehrere Geschäftsleute, deren Unternehmen die kostspieligen Abende meist bezahlt haben – möglicherweise wollten sie sich mit Strauss-Kahn gut stellen. Der französische Ex-Finanzminister galt als brillanter Ökonom und aussichtsreichster Kandidat der Sozialisten für die Präsidentschaftswahlen 2012. Seine sexuellen Ausschweifungen waren der breiten Öffentlichkeit damals noch nicht bekannt, trotz einer 2008 publik gewordenen Affäre.
Doch kurz vor dem Beginn des Wahlkampfes, im Mai 2011, brachten ihn die Vergewaltigungsvorwürfe der New Yorker Hotelangestellten Nafissatou Diallo zu Fall. Strauss-Kahn musste sein Amt beim IWF niederlegen. Aufgrund der Unglaubwürdigkeit Diallos, die sich in Lügen verstrickte, wurde der Strafprozess eingestellt; ein Zivilverfahren endete mit einer außergerichtlichen Einigung und einer Abfindung an die Klägerin. Doch zurück in Frankreich hagelte es weitere Sex-Vorwürfe gegen ihn. Seine Frau, die Starjournalistin Anne Sinclair, trennte sich schließlich von ihm.
Inzwischen hat Strauss-Kahn in der Medienunternehmerin Myriam L'Aouiffir eine neue Lebensgefährtin gefunden, er hält Vorträge in aller Welt und berät Unternehmen, Banken sowie die Regierungen Serbiens, Russlands und des Südsudan. Doch der Ruf des einstmals beliebten Politikers dürfte dauerhaft zerstört sein.