
Mit einem Schlag herrschte Funkstille in den Kopfhörern der Piloten. Der glänzend weiße Regierungs-Airbus „16-01 Konrad Adenauer“ mit dem schwarz-rot-goldenen Streifen an der gesamten Außenhülle und dem Schriftzug „Bundesrepublik Deutschland“ über der Fensterreihe war am Donnerstagabend seit einer Stunde in der Luft, hatte eben das europäische Festland über den Niederlanden verlassen und war auf dem Weg über den Atlantik nach Buenos Aires, wo Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Vizekanzler und Finanzminister Olaf Scholz (SPD) und andere Mitglieder der deutschen Delegation am G20-Gipfel teilnehmen wollten, da brach der Funkkontakt zu den Fluglotsen ab. Nichts ging mehr, die gesamte Funkkommunikationsanlage hatte ihren Geist aufgegeben.
Im Cockpit machten die Piloten, erfahrene Offiziere der Luftwaffe, das, was in diesem Falle zu tun ist: Sie setzten das international übliche Transpondersignal 7600 ab, das die Luftsicherheit über den Ausfall der Funkverbindung in Kenntnis setzte, und nahmen über einen speziellen, besonders sicheren Funkkanal Kontakt mit dem Lagezentrum der Luftwaffe auf. Schnell war klar, dass ein Weiterflug über den Atlantik nicht infrage kam; der Regierungs-Airbus aus der Flotte der Flugbereitschaft des Verteidigungsministeriums sollte unverzüglich umdrehen und in Köln-Bonn landen. Die Situation, hieß es in Berlin, sei derart unsicher gewesen, dass sogar Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) in Kenntnis gesetzt wurde.
Ein sofortiger Weiterflug war nicht mehr möglich
Eine Stewardess informierte Merkel, die sich gerade in ihrem Besprechungsraum im vorderen Teil des 19 Jahre alten Airbus A 340-300 aufhielt, persönlich über den Abbruch, kurze Zeit später kündigte der Pilot in einer Durchsage die Rückkehr nach Deutschland an. Gegen 21 Uhr landete die Maschine schließlich in Köln-Bonn, da sie vollbetankt war, setzte sie mit starkem Übergewicht und erhöhter Geschwindigkeit auf, dabei wurden die Bremsen extrem beansprucht, Feuerwehrfahrzeuge standen bereit, um im Falle eines Falles sofort eingreifen zu können. Merkel, Scholz und alle anderen Passagiere mussten fast 70 Minuten warten, ehe sie das Flugzeug verlassen konnten. Zwar stand in Köln-Bonn eine Ersatzmaschine bereit, die „16-02 Theodor Heuss“, doch da die Crew ihre Einsatzzeiten bereits überschritten hatte, war ein sofortiger Weiterflug nicht mehr möglich.
Nach einer Nacht in einem Bonner Hotel unternahm Merkel schließlich einen zweiten Anlauf, um zum G20-Gipfel zu kommen, mit Scholz und einem kleinen Teil der Delegation flog sie zunächst mit der Flugbereitschaft nach Madrid und von dort aus mit einer Linienmaschine der spanischen Fluggesellschaft „Iberia“ weiter nach Buenos Aires. Ihr Mann Joachim Sauer konnte nicht mitfliegen. In Buenos Aires vertrat sie bei den ersten Arbeitssitzungen ihr „Sherpa“ und Chefunterhändler, Wirtschaftsberater Lars-Hendrik Röller.
Sabotage-Gerüchte wurden zurückgewiesen
Erste Gerüchte und Spekulationen, es könne sich bei dem Vorfall auch um Sabotage oder eine Cyberattacke gehandelt haben, wurden vom Verteidigungsministerium am Freitag zurückgewiesen. Vielmehr sei ein tief in der Maschine sitzendes Bauteil, eine Verteilerbox, defekt gewesen, was wiederum zwei Kommunikationsanlagen und das System zum Ablassen von Kerosin gestört habe. Aus dem Defekt habe sich eine „höhere abstrakte Gefahr“ ergeben, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums. „Es ist klar, dass man dann auf Nummer sichergeht.“ Eine Regierungssprecherin sagte, es habe „zu keiner Zeit Gefahr für Leib und Leben der Passagiere an Bord der Maschine“ gegeben. Der Abbruch des Fluges sei in einem solchen Fall „ein ganz normaler Vorgang“.
Allerdings war dies nicht der erste Zwischenfall mit einer Regierungsmaschine. Erst vor wenigen Wochen konnte Finanzminister Olaf Scholz mit der „Konrad Adenauer“ nicht von einer Tagung des Internationalen Währungsfonds in Indonesien zurückfliegen, da Nagetiere die gesamte Elektrik lahmgelegt hatten. Und auch bei der Afrika-Reise von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier vor wenigen Tagen gab es wegen eines technischen Defekts an einem Triebwerk Verspätungen.
Die „Konrad Adenauer“ wie alle anderen Flugzeuge der Flugbereitschaft des Verteidigungsministeriums sind gebrauchte Maschinen, die die Luftwaffe von der Lufthansa gekauft hat. Der Pannenflieger ist 19 Jahre alt und war für die Lufthansa zehn Jahre im Linienflug im Einsatz, seit 2011 ist er in Diensten der Bundeswehr. Er wurde generalüberholt und umgebaut und wird regelmäßig gewartet. Im vorderen Teil des Rumpfes gibt es einen speziellen Konferenzbereich mit zwölf Sitzplätzen und einen Privatbereich mit 15 Sitzen. Zudem hat das Flugzeug ein spezielles Raketenabwehrsystem und Selbstschussanlagen.
Ein Sprecher der Luftwaffe betonte, zwischen Juni 2016 und Juni 2018 seien gerade einmal 16 Flüge der Flugbereitschaft ausgefallen, das entspreche zwei Prozent der Flüge. Allerdings gab er zu, dass man „in den letzten Wochen nicht besonders viel Glück hatte“. Die „16-02 Theodor Heuss“ sollte noch am Freitag nach Buenos Aires fliegen, damit Angela Merkel am Sonntag wieder planmäßig nach Hause fliegen kann.