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BERLIN
Die Tücken der Grundrente
Koalitionsausschuss zur Grundrente       -  Zufriedene Gesichter bei Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), Malu Dreyer (SPD) und Markus Söder (CSU), nachdem im Streit um die Grundrente eine Einigung erzielt wurde.
Foto: Soeren Stache, dpa | Zufriedene Gesichter bei Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), Malu Dreyer (SPD) und Markus Söder (CSU), nachdem im Streit um die Grundrente eine Einigung erzielt wurde.
Rudi Wais
Rudi Wais
 |  aktualisiert: 02.12.2019 02:11 Uhr

Hat die Koalition bei der Grundrente die Rechnung ohne die Praktiker gemacht? Nach dem Willen von Union und SPD sollen die Finanzämter künftig prüfen, ob Ruheständler mit kleinen Renten Anspruch auf den neuen Zuschlag haben – die Ämter allerdings haben in den meisten Fällen gar keine aktuellen Daten von ihnen. „Der typische Grundrentner wird beim Finanzamt überhaupt nicht geführt, weil seine Rente so niedrig ist, dass er keine Steuern bezahlen muss“, sagt Thomas Eigenthaler, Vorsitzender der Deutschen Steuergewerkschaft. Außerdem wisse der Fiskus nicht, was jemand neben seiner Rente noch an Kapital auf der hohen Kante hat, da die sogenannte Abgeltungssteuer für Kapitalerträge von den Banken anonym an die Finanzämter überwiesen werde.

Gegenüber dieser Redaktion erläutert Eigenthaler seine Bedenken an einem drastischen Beispiel: „Wenn jemand mit einer kleinen Rente eine Million Euro auf dem Konto hat, weiß das Finanzamt das bislang nicht. Erhält dieser Mensch dann trotzdem eine Grundrente?“ Die Freude über den Kompromiss vom Sonntagabend, so Eigenthaler weiter, scheine ihm so übermächtig zu sein, dass darüber die wichtigsten praktischen Fragen ausgeblendet worden seien. Mit einer echten Einkommensprüfung käme eine wahre Welle von Arbeit auf die Finanzämter zu. Sozialminister Hubertus Heil (SPD) hatte zuvor behauptet, für den Datenaustausch zwischen Finanzbehörden und Rentenversicherung würden nur „in bescheidenem Umfang“ neue Stellen benötigt.

Nach den Worten des CSU-Sozialexperten Stephan Stracke sollen die Grundrente nur Rentner erhalten, die auf eine finanzielle Unterstützung angewiesen sind. „Milliardenschwere Mitnahmeeffekte für Menschen, die über weitere Einkünfte verfügen oder über den Ehepartner abgesichert sind, wird es nicht geben“, betonte der Bundestagsabgeordnete. Allerdings liege noch viel Arbeit vor der Koalition. „Insbesondere der automatisierte Datenaustausch zwischen der Rentenversicherung und den Finanzbehörden, wird eine Herkulesaufgabe.“

In der Union grummelt es nach der Einigung mit der SPD unüberhörbar. Zwar segneten die Gremien von CDU und CSU die Übereinkunft am Montag ebenfalls ab. Nach Informationen aus Teilnehmerkreisen stimmten der Wirtschaftsexperte Carsten Linnemann, der Vorsitzende der Jungen Union, Tilman Kuban, und der Bundestagsabgeordnete Olav Gutting im CDU-Vorstand gegen den Kompromiss. Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer warnte die Union vor weiteren Zugeständnissen an den Koalitionspartner: Sie müsse irgendwann auch den Konflikt mit der SPD aushalten und dürfe sich nicht nur deshalb auf sozialdemokratische Politik einlassen, weil sonst der Koalitionsbruch drohe, so Kramer im „Handelsblatt“.

Die rund 21 Millionen Rentner können sich auch im kommenden Jahr auf deutlich steigende Bezüge freuen. Zum 1. Juli 2020 dürften die Renten in Westdeutschland um 3,15 Prozent und in Ostdeutschland um 3,92 Prozent steigen. Das geht aus einem Entwurf für den Rentenversicherungsbericht 2019 hervor. Eine monatliche Rente von 1000 Euro, die nur auf West-Beiträgen beruht, dürfte sich dadurch um 31,50 Euro erhöhen, eine gleich hohe Rente mit Ost-Beiträgen um 39,20 Euro. Die exakten Werte liegen erst im Frühjahr 2020 vor. Im Juli hatten die Renten im Westen um 3,18 Prozent, im Osten um 3,91 Prozent zugelegt. (Mit INfos von dpa)

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