Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (59) gehört zu den aussichtsreichen Kandidaten für den SPD-Vorsitz. Er und seine Partnerin, die sächsische Integrationsministerin Petra Köpping (61), gelten als chancenreich und pragmatisch. Sie gilt als Verfechterin ostdeutscher Interessen und er als kantiger Mann der inneren Sicherheit. Beide haben den starken niedersächsischen Landesverband hinter sich. Ab heute stellen sich die Kandidaten für den SPD-Vorsitz den Mitgliedern vor.
Boris Pistorius: Man kann ohne Übertreibung sagen, dass das für die SPD eine der schwierigsten Situationen in ihrer bundesrepublikanischen Geschichte ist. Deswegen treten wir jetzt an, dass es besser wird.
Pistorius: Ich zitiere jetzt einmal Peer Steinbrück – „hätte, hätte, Fahrradkette“. Darüber kann man jetzt wunderbar diskutieren, aber das ist völlig fruchtlos. Es wäre Ausdruck einer der Fehler, den die SPD in der Vergangenheit gemacht hat, nämlich endlos über Dinge zu diskutieren, die schon entschieden sind.
Pistorius: Petra Köpping und ich kommen aus der Kommunalpolitik. Da haben wir unsere Wurzeln, da haben wir angefangen und gearbeitet. Jetzt tragen wir als Minister Verantwortung in der Landespolitik. Wir glauben, dass ein Aufbruch der SPD am allerbesten gelingen kann, wenn jetzt die Impulse von der Landes- und der kommunalen Ebene kommen. Die SPD muss wieder die Partei werden, die zuhört und sich um die konkreten tagtäglichen Fragen, Probleme und Sorgen vieler Menschen kümmert.
Pistorius: Viele Menschen, die jede Woche 40 Stunden arbeiten und von ihrem Einkommen leben und nicht auf Kapitalerträge zurückgreifen können, sorgen sich, abzusteigen. 40 Prozent der Haushalte in Deutschland können von ihrem Einkommen nichts zur Seite legen und Vermögen aufbauen, zum Beispiel für die Ausbildung der Kinder, Wohneigentum oder die eigene Altersvorsorge. Sie fragen sich, können wir uns die Pflege der Eltern leisten? Sie fragen sich, was heißt der Klimaschutz für mich? Wie teuer wird Autofahren für mich als Pendler? Was bedeutet die Digitalisierung für meinen Beruf und welche Chancen und Risiken bedeutet sie für meine Zukunft? Das sind Fragen, die täglich diskutiert werden. Da müssen wir zuhören und Antworten geben.
Pistorius: Zu einer Politik für mehr soziale Gerechtigkeit gehört eine Steuerreform. Wir wollen die geringen und mittleren Einkommen entlasten. Der Spitzensteuersatz darf erst von einem deutlich höheren Einkommen an greifen. Die normalen Arbeitseinkommen müssen wir vor allem bei den Sozialabgaben entlasten und diese zum Beispiel durch Mehreinnahmen aus einer erhöhten Kapitalertragssteuer finanzieren. Wir müssen deutlich mehr für Bildung und Forschung, für die Energiewende, Verkehrswende und Gebäudewende, die Infrastruktur und Digitalisierung tun. Dafür wollen wir ein 450-Milliarden-Euro-Investitionsprogramm über zehn Jahre, damit wir im internationalen Vergleich endlich vorankommen und zukunftsfähig werden.
Pistorius: Der Klimaschutz ist zweifelsohne das wichtigste Thema unserer Zeit, weil auch unsere Kinder und Enkel noch auf einem lebenswerten Planeten leben sollen. Wir dürfen aber bei der Diskussion den Wirtschaftsstandort Deutschland nicht vergessen. Es wird nicht gegen die Industrie gehen, sie muss mitziehen. Der wichtigste Anreiz ist eine CO2-Bepreisung. Wir brauchen die Industrie, um Innovationen zu entwickeln. Als SPD müssen wir sehr aufpassen, dass nicht diejenigen die Rechnung zahlen, die von ihrer Hände Arbeit leben. Wegen der sich abzeichnenden Rezession kann man auch zwei Faktoren zusammenbringen – eben durch das große Investitionspaket für die nächsten zehn Jahre.
Pistorius: Die Schwarze Null darf kein Selbstzweck sein. Um das Land wetterfest zu machen für die nächsten zehn Jahre und um den Klimaschutz zu stärken, muss man ernsthaft darüber nachdenken.
Pistorius: Ich habe immer eine klare Linie gehabt. Wir brauchen ein funktionierendes Asylsystem für diejenigen, die unseren Schutz brauchen vor politischer Verfolgung und Bürgerkrieg. Und wir brauchen ein pragmatisches Einwanderungsgesetz für Menschen, die wir auf dem Arbeitsmarkt brauchen. Wir müssen auf allen Ebenen konsequent für Integration sorgen, aber auch genauso konsequent sein bei denen, die kein Bleiberecht haben oder straffällig geworden sind. Natürlich müssen sie dann zurückgeführt werden.