Verena Bentele ist die neue Präsidentin des VdK. Die von Geburt an blinde 36-Jährige hat zwölf Mal Gold bei den Paralympics gewonnen. Seit 2012 ist Bentele SPD-Mitglied, sie war von 2014 bis 2018 Behindertenbeauftragte der Bundesregierung. Bentele lebt in München. Der VdK, 1950 als „Verband der Kriegsbeschädigten, Kriegshinterbliebenen und Sozialrentner Deutschlands“ gegründet, heißt heute offiziell „Sozialverband VdK Deutschland“. Er macht sich für soziale Gerechtigkeit und Gleichstellung stark. Bundesweit zählt er 1,8 Millionen Mitglieder. Weil Verena Bentele ihre Tätigkeit nicht ehrenamtlich ausüben wird, gibt es Kritik in Teilen des VdK.
Verena Bentele: Es ist richtig, den Generationenwechsel zu vollziehen, damit auch jüngere Menschen den VdK als Interessenvertretung für faire Löhne und ausreichende Renten wahrnehmen und als Verband, der für Menschen mit Behinderungen da ist.
Bentele: Ich möchte die Bekanntheit des VdK ausbauen und ihn noch mehr zu den Menschen bringen, für die er sich einsetzt. Das heißt, ich möchte an Hochschulen gehen, in Ausbildungsstätten, in Pflegeeinrichtungen. Denn Menschen, die Unterstützung brauchen, gibt es in allen Altersklassen.
Bentele: In Deutschland funktionieren viele Dinge sehr gut. Wir haben einen Sozialstaat, der Menschen unterstützt. Aber die Bundesrepublik steht vor der Herausforderung einer immer größeren Spaltung zwischen Arm und Reich. Die soziale Spaltung wird mein Thema als Präsidentin des VdK sein. Immer mehr Menschen müssen mit wenig Geld leben und sind von Armut bedroht. Dagegen gibt es einige Superreiche, die extrem viel Geld haben. Ich fordere mehr Steuergerechtigkeit.
Bentele: Über die Höhe meiner Aufwandsentschädigung werden die VdK-Gremien entscheiden. Der Vollzeit-Job als VdK-Präsidentin ist eine Position, die sich nicht neben der Berufstätigkeit ausüben lässt. Eine angemessene Entschädigung ist deshalb notwendig. Woher diese Information über 100 000 Euro kommt, weiß ich nicht.
Bentele: Ich finde es wichtig, dass Menschen von ihrer Rente leben können: Ob sie nun in Teilzeit gearbeitet haben, weil sie Kinder großgezogen haben, länger krank waren oder mit einer Behinderung leben. Außerdem brauchen wir bessere Bedingungen in der Pflege. Das bedeutet mehr Personal. Das sind wir älteren Menschen schuldig. Wir benötigen dringend eine bessere barrierefreie Infrastruktur, beim Zugang zu Arztpraxen, aber auch beim Verkehr im ländlichen Raum. Bezahlbarer Wohnraum ist Mangelware, barrierefreier und seniorengerechter Wohnraum erst recht.
Bentele: Unser Sozialsystem ist sehr komplex. Es muss einfacher werden für Menschen, damit sie ihre Leistungen erhalten. Menschen, die aufgrund von Krankheit frühzeitig aus dem Erwerbsleben ausscheiden, können nicht von ihrer Rente leben. Wir wollen als Sozialverband VdK über das deutsche Sozialsystem diskutieren. Etwa zu der Frage, ob der Mindestlohn von 8,84 Euro ausreicht, um später von der Rente leben zu können und sich nicht an der Tafel anstellen zu müssen.
Bentele: Mein Vorschlag wäre, dass Verstöße gegen die Mietpreisbremse geahndet werden. Dazu bräuchte es entsprechende Kontrollen. Zudem benötigen wir mehr sozialen Wohnungsbau – damit Menschen, die in München wohnen und in der Pflege arbeiten, weiter dort leben können, statt wegzuziehen und Stunden zur Arbeit zu brauchen.
Bentele: Ein Grund, warum ich mich im VdK engagiere, ist auch, weil ich gerne für meine Generation die Sicherheit hätte, später eine Rente zu bekommen, die zum Leben reicht. Da gilt es auch, die Steuerpolitik zu überarbeiten: Wir brauchen eine Finanzierung der Renten nicht nur über Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge, sondern auch über die Steuern. Anders wird es nicht funktionieren.
Bentele: Es gibt gute Ansätze im Koalitionsvertrag. Aber er hätte in einigen Bereichen weiter gehen können: Zum Beispiel finde ich, dass private Anbieter von Waren und Dienstleistungen, also beispielsweise Ärzte, Einzelhändler, Taxiunternehmer oder Gastwirte, zur Barrierefreiheit gesetzlich verpflichtet werden sollten.
Bentele: Es gibt noch kein sehr viel besseres Wort. Behindert heißt ja auch, dass Menschen in ihrer Mobilität oder Kommunikation behindert werden. Ich würde mich als Mensch mit Behinderung bezeichnen, denn mich macht ja mehr aus als die Blindheit.