Es nutzte schon damals nichts. Wenn im Fernsehen getrickst wird, kommt das schnell auf. Dabei hatten sie sich das so schön gedacht bei der 25. Funkausstellung 1967 in Berlin. Willy Brandt drückt den Knopf und macht die Bundesrepublik bunt. Zumindest im Fernsehen. Dumm nur, dass ein vermutlich aufgeregter Techniker schneller war und den Bildschirm farbig gemacht hatte, bevor der damalige Vizekanzler eine rote Knopf-Attrappe bediente.
Was man dann sah - nach den zunächst roten Promi-Köpfen, deren Färbung aber schnell angepasst wurde -, war das Fernsehballett, das einen Walzer aus der Johann-Strauss-Operette „Eine Nacht in Venedig“ vortanzte. Womit bereits eine Programmfarbe gesetzt war, die die folgenden TV-Jahre bestimmte: Ballettdamen in blauen, gelben und roten Kleidern gaben häufig den Takt vor im Programm. Höhepunkt des Abends war allerdings „Der goldene Schuß“ mit Vico Torriani. Das Farbfernsehen auf dem Weg zum Volltreffer.
Allerdings ging der Start-Lapsus in Berlin an den meisten Deutschen vorbei. Nach ARD-Angaben waren zu Beginn der neuen Ära gerade 35.000 Haushalte mit Farbempfängern versorgt. Sender und Industrie hatten dennoch relativ schnell auf die technologische Neuerung reagiert. Die Bundesrepublik war das erste Land Europas und das vierte weltweit, das in eine bunte Röhre schaute.
Vor allem war unser System Pal der US-Version NTSC dank der stabileren Farbstruktur überlegen. In der DDR wurde das Farbfernsehen zwei Jahre später eingeführt – passenderweise wie in der Sowjetunion mit dem französischen Secam-System. Die Bundesbürger waren indes weniger an technischen Details als am Preis interessiert. Immerhin kosteten die Geräte bis zu 2500 Mark. Da musste so mancher einen Monatslohn opfern für die Farbe, obwohl anfangs bunte Sendungen in der Minderheit waren.
Bei der Fußball-WM 1974 stach der Rasen giftgrün in die Augen
Weil sich das nicht jeder leisten konnte, rückten die Deutschen des Abends zusammen wie zu Beginn des Schwarz-Weiß-Zeitalters. Aber nur fast, es musste schon was sein, das die Nation in ihrem Inneren bewegte. Unsereiner saß 1974 mit den Freunden Hermann und Eugen bei Spielbergers im Wohnzimmer, als die deutsche Fußball-Nationalmannschaft mit dem Finalsieg gegen die Niederlande Weltmeister wurde. Irgendwie blieb neben Bomber Gerd Müller im Kopf hängen, dass die Holländer extrem orange waren und der Rasen giftgrün in die Augen stach. Ja, so war das damals: Wenn schon Farbe, dann richtig satt.
Zu diesem Zeitpunkt waren farbige Empfänger und ein umfassendes Programm längst etabliert. Die 70er-Jahre-Events wie „Drei mal Neun“, die „Rudi Carrell Show“ und die „Spezialitäten“ mit Peter Alexander überboten sich nur so mit ockerfarbenen Kulissen, in die Löcher gemalt waren, und gelb-blauen Labyrinthen, durch die bonbonfarben gewandete Schlagersänger huschten. Schwarz-Weiß hatte weitgehend ausgespielt.
„Tagesschau“ und „heute“ gewannen erst 1970 an Farbe
Obwohl die „Tagesschau“, als sie farbig wurde, zunächst etwas unseriös rüberkam. ARD und ZDF warteten bis 1970, ehe „Tagesschau“ und „heute“ die Politiker-Krawatten zu den dunklen Anzügen tintenblau aussehen ließen. Bilder von Kriegsschauplätzen oder Erdbeben wirkten auf dem farbigen Bildschirm einfach brutaler, weil Blut, wenn auch zurückhaltend, nicht ganz ausgespart werden konnte. Schwarz-Weiß war halt ein Auslaufmodell.
Im Nachhinein wirkt es rührend, was die „Frankfurter Rundschau“ im März 1967 geschrieben hat. Sie machte angesichts der kostspieligen Farbbildröhre den Vorschlag, den neuen Empfänger nicht für Schwarz-Weiß-Sendungen zu benutzen: „Man sollte das Farbgerät den Farbsendungen vorbehalten, sagen die Händler, also zwei Fernsehgeräte nebeneinander benutzen. So spart man dann Lebensdauer der Farbbildröhre ein. Dieser listige Vorschlag ist nicht ganz von der Hand zu weisen.“ Echt jetzt? Viel Erfolg war dem Tipp nicht beschieden.
„Der Kommissar“ bekam bis zum Ende 1971 keinen farbigen Anstrich
Unsere junge Familie konnte sich erst 1977 vom Schwarz-Weiß-Kästchen verabschieden. Was schlicht daran lag, dass es kaputtging. Also ja, wir leisteten uns ein in Farben brillierendes Wohnzimmermöbel. Telefunken hatte es hergestellt.
Es dauerte Wochen, bis sich die Umstellung im Kopf festgesetzt hatte. „Bonanza“ und „High Chaparral“ sahen nicht mehr grau wie der Wüstenstaub aus. Die schönen Saloon-Damen brillierten in ultramarinblauen Kleidern, die Cowboys trugen gelbe Halstücher und das Lagerfeuer leuchtete flammend rot. „Flipper“, der kluge Delfin, tauchte in türkisblaue Fluten, und die „Bezaubernde Jeannie“, der Flaschengeist, schillerte in den Farben des Orients.
Es gab Ausnahmen: „Der Kommissar“ mit Erik Ode bekam bis zu seinem Ende 1971 keinen farbigen Anstrich. Und keinen hat?s gestört, dass selbst die Perserteppiche in Grünwalder Villen irgendwie grieselig aussahen. Nein, eine Revolution hat das Farbfernsehen nicht ausgelöst. Es eroberte eher selbstverständlich die Wohnzimmer. Kein Vergleich etwa mit der Einführung des Tonfilms um 1930, als Stummfilmstars ihre Jobs verloren, weil sie quiekten wie Micky Maus. Als die Bilder auch in Farbe laufen lernten, begann im Kino eine neue Ära.
Heute ist das TV-Bild zur technischen Spielwiese geworden
Dass nach dem Krieg „Das Schwarzwaldmädel“ für Zuschauerrekorde sorgte, hatte nicht nur mit Verdrängen und Vergessen zu tun, sondern auch damit, dass die roten Bollen auf dem Hut von Sonja Ziemann Farbe ins Aufbauleben brachten. Also war Farbe 1967 kein Top-Ereignis mehr. Jüngere Regisseure misstrauten Jahrzehnte später der bunten Welt: Die Krimis in ARD und ZDF erzählten ihre Geschichten in fahlen Farben, oft mit Grünstich und fast schwarz-weiß.
Das TV-Bild wurde zur technischen Spielwiese: bessere Bildqualität dank HD und eine Flut von Digitalprogrammen. Mit noch mehr Pixeln – von vielen Nutzern nicht als Verbesserung empfunden – warten die Standards Ultra HD und 4K auf, die Streaming-Dienste wie Netflix und Amazon Prime nutzen.
Manchmal sehnt man sich nach den Schwarz-Weiß-Zeiten zurück. Als es noch ein Testbild gab, öde Quizshows nicht über drei Stunden dauerten und eine Bachelorette nicht in Sichtweite war. Wenn Farbe schon keine kreative Herausforderung ist, sollten es wenigstens die Inhalte sein.