Die Befana hat Rom den letzten Rest gegeben. In der Nacht zum Dreikönigstag bringt diese Hexe den Kindern in Italien Geschenke und Süßigkeiten. Die werfen ihrerseits Verpackungen ab, die dieser Tage ganz oben aus den Müllbergen in der italienischen Hauptstadt herausragen. Die Festtage nach Weihnachten und der grenzenlose Konsum stellen seit Jahren ein Problem für die Müllentsorgung in Rom dar. Dieses Jahr ist es besonders schlimm. Wegen der überquellenden Tonnen, den haufenweise auf den Straßen liegenden Tüten und entsprechenden hygienischen Folgen drohten die Schuldirektoren der Stadt, die Schulen nach den Weihnachtsferien nicht wieder aufzusperren.
Sie haben doch aufgesperrt, die römischen Kinder gehen seit Montag wieder zur Schule, oft begegnen sie auf dem Schulweg stinkenden Abfällen. Schüler der Oberschule „Federico Caffè“ im Stadtviertel Monteverde bekamen zum Schulbeginn unerwarteten Besuch. In ihr Klassenzimmer hatten sich mehrere Ratten verirrt. Die Aufnahmen posteten die Schüler in den sozialen Netzwerken. Während sich die Römer resigniert, aber doch stets polemisch ihrem Schicksal hinzugeben scheinen, feiern die geschätzt sechs bis neun Millionen Ratten der Hauptstadt erst jetzt ihr großes Fest.
Vor gesundheitlichen Gefahren gewarnt
Antonio Magi, Chef des Ärzteverbands der Provinz Rom, schrieb (wie zuvor die Schuldirektoren) der Bürgermeisterin einen Brief, um vor den gesundheitlichen Folgen des Mülls auf den Straßen zu warnen. Über die Rattenplage sagte er: „Wir bekommen täglich Anrufe wegen der Ratten. Natürlich verschlimmert sich mit dem überall herum liegenden Müll die Situation.“ Im Brief an die Bürgermeisterin heißt es außerdem, der herumliegende Hausmüll wirke sich negativ auf die Erziehung der Kinder aus. Magi hat zweifellos Recht. Allerdings kämpft Rom seit mindestens fünf Jahren einen vergeblichen Kampf gegen den eigenen Müll.
Im Jahr 2013 wurde die Schließung der städtischen Mülldeponie in Malagrotta beschlossen, der größten offenen Deponie Europas. Malagrotta war nach EU-Recht illegal. Für genügend Alternativen sorgte man allerdings nicht. Einige der fünf Müllverarbeitungsanlagen wurden in den vergangenen Jahren wegen Unregelmäßigkeiten von der Staatsanwaltschaft geschlossen, Engpässe gab es deshalb immer wieder. Rom exportiert rund ein Fünftel seiner täglich 4600 Tonnen Hausmüll in andere italienische Regionen und bezahlt dafür. Am 11. Dezember ging die Verarbeitungsanlage im Norden der Stadt in Flammen auf, das gegenwärtige Müll-Chaos war absehbar.
Staatsanwaltschaft ermittelt
Warum die Verarbeitungsanlage im Viertel Salario in Flammen aufging, ist noch nicht geklärt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt. Wie italienische Medien berichten, arbeitet Bürgermeisterin Virginia Raggi von der Fünf-Sterne-Bewegung an einem Dossier, in dem der Vorwurf der Sabotage ins Spiel gebracht wird. Mehr als 300 Groß-Mülltonnen gehen jedes Jahr in der Stadt in Flammen auf. Die Stadtregierung ist seit zweieinhalb Jahren im Amt und muss sich vorhalten lassen, die Situation entgegen aller Versprechungen keineswegs in den Griff bekommen zu haben. Raggi, die als Galionsfigur ihrer Partei ins Amt ging, sucht die Schuld für die unendliche Misere weiterhin bei anderen.
Am Dienstag war ein Treffen mit dem Präsidenten der Region Nicola Zingaretti und Umweltminister Sergio Costa angesetzt. Thema: Die Müllkrise Roms und mögliche Lösungswege. Unterdessen mokiert sich die Öffentlichkeit über die neuesten Vorschläge aus der Stadtregierung. Dort schlug man vor, die Römer sollten angesichts vom Hausmüll versperrter Gehwege selbst den Besen in die Hand nehmen und wenigstens die Trottoirs frei schaufeln. Im Hinblick auf die geschätzt 100 000 Schlaglöcher in Rom hatte die Fünf-Sterne-Bewegung kürzlich einen ähnlich umstrittenen Vorschlag gemacht. Das italienische Militär sollte übergangsweise zum Stopfen der Löcher einspringen.
Bürger machen selber sauber
Es gibt Römer, die zwar die Nase gestrichen voll haben angesichts der Zustände in ihrer Stadt, aber dennoch aktiv werden. Vor Tagen war eine Frau in Monteverde zu sehen, die mit Besen und Schaufel selbst das Trottoir reinigte. „Wenn man nicht im Müll leben will, muss man selbst saubermachen“, sagte sie. In ihrer Straße sei schon lange kein Straßenkehrer mehr vorbei gekommen.