Die Kampfansage der eigenen Schwesterpartei liegt auf dem Tisch. Ob Thomas de Maiziere auch noch einer neuen Bundesregierung unter Angela Merkel als Innenminister angehört, ist alles andere als sicher. Denn die bayerische CSU hat unmissverständlich ihren Anspruch auf dieses ebenso wichtige wie prestigeträchtige Amt erhoben.
Der bisherige bayerische Innenminister Joachim Herrmann soll nach dem Willen von Parteichef Horst Seehofer die CSU-Liste zur Bundestagswahl anführen und danach das Innenressort übernehmen.
Doch Thomas de Maiziere scheint entschlossen zu sein, sein Amt nicht kampflos preiszugeben. Am Wochenende preschte der Sachse, der als enger Vertrauter von Bundeskanzlerin Angela Merkel gilt, vor und überraschte die eigenen Parteifreunde wie den politischen Gegner mit einer neuen Debatte zur „deutschen Leitkultur“, wohl wissend, welche Reflexe dieser Begriff auslöst.
In einem Beitrag für die „Bild am Sonntag“ listete der CDU-Politiker zehn Eigenschaften auf, die nach seiner Ansicht Teil einer deutschen Leitkultur sein sollen – gedacht als eine Art Nachhilfe für Flüchtlinge, Einwanderer und Ausländer. So mahnte er, dass man sich in Deutschland zur Begrüßung die Hand gebe, sein Gesicht zeige und seinen Namen nenne. „Wir sind nicht Burka.“ Zudem sei Deutschland ein christlich geprägter, Religionen freundlich zugewandter, aber weltanschaulich neutraler Staat. Religion sei „Kitt und nicht Keil der Gesellschaft“. Und auch den Rechtspopulisten erteilte er eine Mahnung: „Ein aufgeklärter Patriot liebt sein Land und hasst nicht andere.“
Die Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten. Nicht nur Oppositionspolitiker von den Grünen und Linken wiesen seine Ansichten zurück, auch Vertreter des Koalitionspartners SPD übten massive Kritik. Und auch der potenzielle Koalitionspartner FDP ging auf Distanz.
„Was für eine peinliche Inszenierung. Merkel macht auf liberal und europäisch, de Maiziere macht auf Leitkultur. Absurde Arbeitsteilung“, schrieb der stellvertretende SPD-Chef Thorsten Schäfer-Gümbel aus Hessen auf Twitter. Grünen-Chefin Simone Peter kritisierte, sie wolle keine Leitkulturdebatte, sondern lieber „eine neue Innenpolitik, die Integration voranbringt, rechte Netzwerke prüft und islamistische Gefährder im Auge hat“. Und Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt bemängelte, wichtiger sei es, sich um Zusammenhalt und Integration zu kümmern und die praktischen Probleme zu lösen.
Auch in der Union hielt sich die Zustimmung zu den Thesen des Innenministers in Grenzen. So verwies der frühere CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz darauf, dass es für eine verpflichtende Leitkultur im Grundgesetz keine Rechtsgrundlage gebe. „Wir leben in einer freiheitlichen, pluralistischen Gesellschaft, in der jeder nach seiner Façon selig werden kann, solange er anderen nicht schadet.“
Der scheidende CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach stellte sich dagegen hinter seinen Parteifreund. Der Begriff Leitkultur solle „nicht ausgrenzen, sondern einladen, jene Normen und Werte zu beachten, deren Einhaltung notwendig ist, damit alle in unserem Land unabhängig von Hautfarbe, Staatsangehörigkeit und Religion friedlich und konfliktfrei miteinander leben können“, sagte er.
Und die stellvertretende CDU-Vorsitzende Julia Klöckner nannte den Zehn-Punkte-Katalog das „kleine Einmaleins unseres Zusammenlebens in diesem liberalen Rechtsstaat. Nicht, was Thomas de Maiziere gesagt hat, ist ein Skandal, sondern das, was jetzt daraus gemacht wird.“