Alexander Dobrindt hat es geschafft. Auf den Tag genau ein Jahr nach seiner Vereidigung meldete der Minister für Verkehr und digitale Infrastruktur von der CSU Vollzug. In der letzten Sitzung vor dem Jahreswechsel verabschiedete das Bundeskabinett am Mittwoch ohne größere Debatte seinen Gesetzentwurf zur „Einführung einer Infrastrukturabgabe für die Benutzung von Bundesfernstraßen“. Dies sei ein „riesiger Schritt zu einem Systemwechsel“ bei der Finanzierung der Verkehrswege, klopfte sich der Oberbayer nach der Sitzung auf die Schulter – weg von der Steuerfinanzierung, hin zur Nutzerfinanzierung. Denn gleichzeitig billigte das Kabinett auch den Gesetzentwurf von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), wonach die Kfz-Steuer für alle inländischen Kfz-Halter um genau den Betrag der Maut reduziert wird.
Ein Jahr lang, und damit deutlich länger als ursprünglich geplant, saß der CSU-Minister an dem Projekt, das im Wahlkampf noch als „Maut für Ausländer“ für Furore gesorgt hatte. Doch am Tag seines bislang größten politischen Erfolges gab sich Dobrindt eher bescheiden und zurückhaltend. Groß waren die Widerstände, die er überwinden musste, auch in den Reihen der Koalition, und noch immer steht die Warnung im Raum, die EU-Kommission könnte dem Lieblingsvorhaben der CSU die Rote Karte zeigen. „Ja, wir haben Wort gehalten, die Infrastrukturabgabe kommt“, sagte Dobrindt nach der Kabinettssitzung, ohne das Wort „Ausländermaut“ in den Mund zu nehmen. Und zwar so, wie man es im Koalitionsvertrag vereinbart habe – ohne Mehrbelastung für die inländischen Autofahrer und europarechtskonform.
Gleich mehrfach verwies Dobrindt am Mittwoch auf ein Gutachten des Bonner Juristen Christian Hillgruber, wonach das Gesetz mit geltendem EU-Recht vereinbar sei. „Wir bewegen uns innerhalb dessen, was in Europa bekannt und bewährt ist“, sagte er mit Blick auf die bestehenden Mautsysteme in den EU-Partnerländern. Zudem stehe er sowohl mit der zuständigen EU-Kommissarin Violeta Bilc als auch mit seinen europäischen Amtskollegen in engem Kontakt. Allerdings könne er nicht ausschließen, dass das eine oder andere Land doch noch den Europäischen Gerichtshof anrufe. Doch dem sehe er „sehr gelassen“ entgegen, so Dobrindt.
Nach den Plänen Dobrindts soll die Infrastrukturabgabe ab dem 1. Januar 2016 erhoben werden. Jeder inländische Halter erhalte automatisch einen Bescheid samt einer Einzugsermächtigung, so dass die Abgabe automatisch eingezogen werde, gleichzeitig werde die Kfz-Steuer auf den Cent genau gesenkt. Die Höhe der Abgabe richtet sich nach der Größe des Hubraums und der Umweltfreundlichkeit des Fahrzeugs, mindestens 24 Euro im Jahr, maximal 130 Euro. Von der Zahlung befreit sind Behinderte und Halter von Elektroautos, auch für Krankenwagen, Feuerwehrautos oder Fahrzeuge des Katastrophenschutzes wird keine Abgabe fällig. Zudem enthält der Gesetzentwurf eine Regelung, wonach Autofahrer die Abgabe zurückerhalten, wenn sie nachweisen können, dass sie das ganze Jahr weder eine Autobahn noch eine Bundesfernstraße benutzt haben. Dobrindt sprach von „Härtefällen“, die belegt und begründet werden müssten. Ausländer können zwischen einer Vignette für ein Jahr (130 Euro), für zwei Monate (22 Euro) oder zehn Tagen (zehn Euro) wählen.
Insgesamt sollen sich die Einnahmen aus der Infrastrukturabgabe auf 3,7 Milliarden Euro pro Jahr belaufen, davon entfallen 700 Millionen Euro auf nicht in Deutschland zugelassene Fahrzeuge. Abzüglich der Betriebskosten von 200 Millionen Euro bleiben 500 Millionen Euro im Jahr. Diese Summe werde komplett für Investitionen in die Verkehrswege verwendet, versicherte Dobrindt. „Die Gesetze erfüllen alles, was wir versprochen haben und bringen erhebliche Mehreinnahmen.“ Die Abgabe sei „fair, sinnvoll und gerecht“, da sich alle an der Finanzierung der Straßen beteiligen müssten, die diese bisher kostenlos genutzt haben.
Die Opposition übte scharfe Kritik am Gesetzentwurf Dobrindts. Der Fraktionschef der Grünen, Anton Hofreiter, warf der CSU vor, „in jeder Legislaturperiode ein unsinniges Projekt“ durchzusetzen. Zuletzt sei es „das grauenhafte Betreuungsgeld“ gewesen, nun sei es „die Schnapsidee mit der Ausländermaut“. Der Linken-Verkehrspolitiker Herbert Behrens sprach von „Maut-Murks“. Und selbst der Koalitionspartner SPD hielt sich zurück. „Das wird ein schwieriges Gesetzgebungsverfahren, da noch viele Fragen offen sind“, sagte SPD-Fraktionsvize Sören Bartol.
Die Vignette in Österreich – nur als Übergangslösung gedacht
In Österreich stieß die Einführung einer Pkw-Maut 1997 nicht gerade auf Begeisterung. Geplant war, eine kilometerabhängige Abgabe einzuführen. Bis diese technisch und organisatorisch umgesetzt werden konnte, sollte eine einfache Vignette reichen. „Typisch österreichisch, aus einer Übergangs- wurde eine Dauerlösung“, sagt dazu die Expertin des Österreichischen Automobil-, Motorrad- und Touringclubs ÖAMTC, Elisabeth Brandau. In den ersten Maut-Jahren hatten sich die Autofahrer zähneknirschend an den Obolus gewöhnt, und die Politik schien eine neuerliche Debatte vermeiden zu wollen. Jeder eingezahlte Schilling und später jeder Euro floss tatsächlich in den Straßenbau. „Das überzeugendste Argument war und ist die Zweckbindung“, sagt Brandau. Seit 1997 wird der Unterhalt der rund 2200 Kilometer Autobahn, ihrer 150 Tunnel, 5200 Brücken sowie der Neubau nicht mehr aus Steuern, sondern aus der Maut für Pkw und Lkw finanziert. So seien wichtige Lücken im Netz geschlossen und die Schnellstraßen saniert worden, räumt der ÖAMTC ein. „Man sieht den Fortschritt wirklich“, sagt Brandau. Die Einnahmen aus Pkw- und Lkw-Maut summieren sich auf jährlich rund 1,6 Milliarden Euro. Die Kosten für die Erhebung der Maut selbst werden auf 100 Millionen Euro pro Jahr beziffert. Text: dpa