Die Ruhe war trügerisch. Seit dem römischen Wahlergebnis ist die Angst vor der Eurokrise wieder in aller Munde. Dabei hätte es des italienischen Durcheinanders nicht einmal bedurft, um besorgt zu sein. Denn trotz aller offiziellen Versuche, das Ende der Krise festzustellen, weisen die Signale in eine andere Richtung.
Beispiel Athen: Seit Mittwoch sitzt die Troika über den griechischen Büchern und wird wohl am 10. März feststellen, dass das Land weit hinter den gegebenen Reformversprechen herhinkt. Das Ziel, bis 2020 rund 25 Milliarden aus Privatisierungen staatlicher Unternehmen zu erlösen, scheint immer unrealistischer. Bisher hat man gerade mal zwei Milliarden einsammeln können. Die Einschnitte im öffentlichen Sektor treten auf der Stelle. Und die Wirtschaft dürfte im laufenden Jahr zum sechsten Mal in Folge schrumpfen – um satte 4,5 Prozent. Regierungschef Antonis Samaras träumt derweil von satten Einnahmen durch die nahende Urlaubssaison, da die Ferienparadiese weitgehend ausgebucht seien.
Das Schreckgespenst eines zweiten Schuldenschnittes, der dieses Mal die Geberstaaten treffen würde, ist nicht nur nicht vom Tisch. Athens Finanzminister Yannis Stournaras hat ihn im Parlament schon als beschlossene Sache verkauft.
Spanien schlägt sich nicht nur mit einem Vertrauensverlust herum, weil Regierungschef Mariano Rajoy durch eine Schwarzgeldaffäre angeschlagen ist. Am vergangenen Wochenende platzte die zweitgrößte Immobilienblase in der Geschichte des Landes. Die Firma Reyal Urbis hat Schulden in Höhe von 3,6 Milliarden Euro angehäuft und musste Insolvenz anmelden. Spaniens Defizit steigt und steigt, die Arbeitslosigkeit auch.
Portugal hat die EU-Kommission bereits darauf vorbereitet, dass man die gesteckten Defizitziele für 2014 nicht erreichen wird und mehr Zeit braucht. Auch für Lissabon weisen die Daten weiter nach unten. Für die Wirtschaft Italiens hat die Kommission ein Minus von einem Prozent für das laufende Jahr ausgerechnet. Frankreich stagniert und reißt 2013 sowie 2014 die Defizithöchstgrenze von drei Prozent, die Arbeitslosigkeit nimmt zu. In den Niederlanden zittert man vor einer drastischen Abwertung durch die Ratingagenturen, weil die Einsparungen zwar auf den Weg gebracht wurden, aber noch nicht wirken.
Da fallen die Probleme Zyperns, dessen Banken dringend zwischen 16 und 17,5 Milliarden Euro brauchen, schon kaum mehr ins Gewicht. Dabei könnte die absehbare Staatspleite, die ohne Eurohilfen im März zu befürchten ist, einen Domino-Effekt auslösen. Am Montag werden die Euro-Finanzminister beraten, ob sie dem Land unter seinem neuen konservativen Regierungschef Nikos Anastasiadis nicht doch unter die Arme greifen sollten.
Auch außerhalb der Währungsunion grassiert die Krise. London wurde gerade erst von der Ratingagentur Moody’s wegen miserabler ökonomischer Aussichten heruntergestuft. Im Osten kann nur Polen auf deutlich positive Wirtschaftszahlen verweisen. Zwei Prozent Wachstum für 2013 – das klingt gut. Allerdings lag die Steigerungsrate vor drei Jahren doppelt so hoch.
„Wir haben keinen Grund, von Entspannung zu reden“, heißt es in einer Analyse der Schweizer UBS-Bank. Die Krise hat den Euroraum, aber auch die EU nach wie vor fest im Griff. Zwar wollen die Staats- und Regierungschefs in wenigen Wochen beim Gipfeltreffen in Brüssel an der Wirtschafts- und Währungsunion weiter basteln. Doch ob es dazu kommt, ist offen: Wer auch immer am Ende in Italien regiert, die Befürworter der Linie des französischen Präsidenten François Hollande werden zahlreicher. Die wollen zwar auch sparen, sich aber dafür mehr Zeit nehmen. Die Bundeskanzlerin, die beim Schuldenabbau aufs Tempo drückt, steht mehr und mehr alleine.