(dpa/afp) Ungewohnt schonungslos hat Wladimir Putin seine Landsleute auf weitere harte Jahre in Russland eingestimmt. Zwar beginnt der Präsident seine Jahrespressekonferenz vor mehr als 1000 Journalisten traditionell mit Erfolgsmeldungen. Doch dann wird es ernst: Ja, der Rubel könne nach einer historischen Talfahrt weiter auf den Abgrund zurollen. Zudem drohe der fallende Ölpreis die Krise zu verschärfen. Doch von einem möglichen Kollaps der Wirtschaft will Putin nichts hören. „Alles wird sich einrenken“, betont der 62-Jährige in väterlichem Ton bei dem landesweit im Fernsehen übertragenen Medienspektakel.
Anzeichen für einen Stimmungsumschwung sieht Putin nicht. „Was Palastrevolten angeht, können Sie ganz beruhigt sein“, sagt er auf die Frage, ob er möglicherweise die Unterstützung der Eliten verlieren und dann gestürzt werden könnte. „Wir haben keine Paläste, darum kann es keine Palastrevolte geben. “
Viele Russen warten angesichts immer neuer Schreckensmeldungen aus der Wirtschaft an diesem Tag gespannt, wie der mächtigste Mann des Landes die ökonomische und politische Großwetterlage einschätzt. Einmal mehr gibt er dem Westen und den Sanktionen die Hauptschuld an den Problemen des Landes.
Sein Credo: Sein Land sei nicht aggressiv oder greife jemanden an, sondern wehre sich gegen Bedrohungen von außen. Es sei der Westen, der auch 25 Jahre nach Ende des Kalten Krieges weiter „Mauern“ errichte. Die prominente Journalistin Xenia Sobtschak beklagt eine Hetzjagd von Polizei und Geheimdiensten auf Andersdenkende. Und nicht wenige halten den Atem an, als sie auch noch kritisiert, der Kreml habe die Kontrolle verloren im Ex-Kriegsgebiet Tschetschenien. „Warum hast du ihr das Wort gegeben?“, fragt Putin seinen Sprecher mit Humor in der Stimme. Eine andere Frau wirft dem Präsidenten vor, die Bosse der Staatskonzerne bekämen immer mehr Geld, während Großmütter kaum noch Brot kaufen könnten.
Einblicke ins Privatleben
Wohl auch mit Blick auf seine aktuellen Zustimmungswerte von rund 80 Prozent gibt sich Putin ganz demokratisch und betont, dass auch seine Kritiker wie Michail Chodorkowski ein Recht auf politisches Engagement hätten. Putin wird seinem Ruf als schlagfertiger Redner gerecht, der gern das letzte Wort hat. Zwischendurch gewährt er sogar einen Einblick in sein Privatleben – und verrät, dass er in festen Händen ist. Im vergangenen Jahr habe „ein europäischer Freund ihn gefragt, ob er jemanden liebe. Er habe dies bejaht – ebenso wie die Frage, ob die Liebe auch erwidert werde.
Im April hatte der Kreml bestätigt, dass Putin nach 30 Jahren von Ehefrau Ljudmila geschieden wurde. Das Privatleben des Präsidenten gilt in Russland als tabu. Vor sechs Jahren schrieb eine Zeitung, Putin habe eine Freundin. Kurze Zeit später musste sie schließen.