Der Herbst beginnt nicht gut für die Menschen auf den Ägäis-Inseln Mykonos und Rhodos: Von diesem Donnerstag an zahlen sie beim Einkauf nicht mehr 16 Prozent Mehrwertsteuer, sondern 23 Prozent wie die Griechen auf dem Festland. Auch die Inseln Santorin, Naxos, Paros und Skiathos verlieren zum 1. Oktober ihre Steuerprivilegien (wir berichteten). Die Anpassung ist Teil der Reformvorgaben, die Griechenland als Gegenleistung für die neuen Hilfskredite umsetzen muss.
Aber kommt durch die Steuererhöhung wirklich mehr Geld in die Staatskasse? Viele Experten bezweifeln das. Denn gerade bei der Mehrwertsteuer blüht in Griechenland die Steuerhinterziehung.
Nach einem jetzt veröffentlichten Bericht der Brüsseler EU-Kommission kommen in Griechenland von 100 Euro Mehrwertsteuer nur 66 Euro beim Fiskus an. Während im Schnitt der EU-Staaten 15,2 Prozent der fälligen Mehrwertsteuer hinterzogen werden, sind es in Hellas 34 Prozent. Unter dem Strich sind damit dem Staat allein in den Krisenjahren 2009 bis 2013 Einnahmen von insgesamt 37 Milliarden Euro entgangen.
Auch bei der Einkommensteuer kommt der Fiskus zu kurz. Vor allem viele Selbstständige, deren Anteil an den Erwerbstätigen in Griechenland mit rund einem Drittel höher ist als in jedem anderen EU-Staat, schleusen einen Teil ihrer Einnahmen am Finanzamt vorbei.
Bargeldloses Zahlen fördern
Unter dem Druck der internationalen Kreditgeber will die neue Regierung von Ministerpräsident Alexis Tsipras jetzt schärfer gegen die Steuerhinterziehung vorgehen. Die griechischen Steuerfahnder rüsten auf. Ein neues Gesetz sieht vor, dass der Fiskus direkten Zugriff auf alle Bankkonten hat und die Transaktionen der vergangenen zehn Jahre durchleuchten kann. Auch Daten über Aktiendepots, Haus- und Grundbesitz können die Finanzbeamten per Mausklick abrufen – der gläserne Grieche.
Griechenlands Schattenwirtschaft wird auf etwa ein Viertel des Bruttoinlandsprodukts geschätzt. Um sie einzudämmen, setzt die Regierung nun vor allem auf Plastikgeld. Im Gegensatz zu den in Griechenland weitverbreiteten Bargeldzahlungen sind Kartentransaktionen für den Fiskus nämlich leicht nachvollziehbar.
Mit allerlei Anreizen will der Finanzminister deshalb das bargeldlose Bezahlen fördern. Die Anschaffung von Kartenterminals soll subventioniert werden. Käufer, die Karten einsetzen, sollen höhere Steuerfreibeträge bekommen, und Geschäftsleute, die Plastikgeld akzeptieren, könnten Steuernachlässe erwarten.
Polizeischutz für Steuerprüfer
Neben solchen Anreizen setzt der Finanzminister auf verschärfte Kontrollen. Allein Ende Juli wurden innerhalb einer einzigen Woche bei Überprüfungen von 5264 Unternehmen und Selbstständigen 1089 Steuerverstöße festgestellt. So ging den Steuerfahndern ein „Arbeitsloser“ ins Netz, der vergangenes Jahr 937 000 Euro auf sein Bankkonto einzahlte. Ein Fußallmanager versteckte 7,7 Millionen Euro vor dem Fiskus.
Kein Wunder, dass die Steuerfahnder nicht überall willkommen sind. Als Finanzbeamte Anfang August bei einem Volksfest auf der Insel Rhodos prüfen wollten, ob die Händler ordnungsgemäß Quittungen ausstellten, wurden sie von aufgebrachten Festbesuchern attackiert. Die Steuerprüfer mussten Polizeischutz anfordern. Foto: afp