Die kurdische Rebellengruppe PKK feiert ihre neuen Anschläge auf türkische Sicherheitskräfte als Heldentaten – doch selbst bei Unterstützern der kurdischen Sache in der türkischen Öffentlichkeit und in der legalen Kurdenpartei HDP wird das ganz anders gesehen. Die Gewalt der PKK schadet kurdischen Interessen, lautet die Kritik. Ob die Rebellen sich davon beeindrucken lassen, ist aber nicht sicher.
Zum ersten Mal seit der Aufkündigung des Waffenstillstandes Ende Juli hat sich die PKK jetzt zu einem Terroranschlag in der Metropole Istanbul bekannt. Ein dreiköpfiges „Opfer-Team“ habe am Montag die Polizeiwache im Stadtteil Sultanbeyli angegriffen, erklärten die Rebellen. Bei einem Selbstmordanschlag und anschließenden Feuergefechten waren drei Angreifer und ein Polizist getötet worden.
Die Bewohner der 15-Millionen-Metropole leben schon seit Wochen mit der Angst, dass es bald wieder losgehen könnte mit Terroranschlägen in ihrer Stadt. Der Fund verdächtiger Pakete löste bereits mehrmals Bombenpanik aus und führte zur vorübergehenden Schließung mehrerer U-Bahnhöfe. Häufig entpuppten sich die Fundstücke als harmlos, aber nicht immer. So sprengten Experten der Polizei vergangene Woche in der Nähe eines Cafés eine abgestellte Tasche, die sich bei der kontrollierten Explosion als getarnte Splitterbombe erwies.
Massive Luftangriffe
Unterdessen dreht sich die Gewaltspirale immer weiter. Allein am Montag starben sechs Polizisten und Soldaten bei PKK-Angriffen, und auch in der Nacht zum Dienstag kam ein Soldat bei Gefechten ums Leben. Der türkische Staat antwortet zunehmend mit massiven Luftangriffen auf PKK-Stellungen nicht nur im Nordirak, sondern auch im eigenen Land. Nach Angaben des Generalstabs bombardierten Kampfjets im südostanatolischen Hakkari 17 Verstecke der Rebellen. Bei Gefechten in der Nähe des Berges Ararat starben nach Medienberichten sieben PKK-Kämpfer.
Die PKK beendete vor zwei Wochen den zweijährigen Waffenstillstand mit Ankara, weil sie der türkischen Regierung eine Mitschuld an dem Anschlag von Suruc gab, bei dem ein Anhänger des Islamischen Staates am 20. Juli mehr als 30 kurdische und linke Aktivisten tötete. Mit ihrer Gewalt machen die Rebellen der legalen Kurdenpartei HDP das Leben schwer. Die HDP ist seit ihrem überraschenden Wahlerfolg vom Juni mit 80 Abgeordneten im Parlament von Ankara vertreten und wollte sich dort eigentlich als liberale Reformkraft profilieren. Stattdessen muss sie sich jetzt mit dem Vorwurf der Regierung herumschlagen, verlängerter Arm der PKK-Gewalttäter zu sein.
Rückkehr zum Waffenstillstand?
HDP-Chef Selahattin Demirtas hat deshalb sowohl die PKK als auch den türkischen Staat aufgerufen, die Gewalt zu stoppen, bisher allerdings ohne Ergebnis. Entsprechend groß ist der Frust in der HDP. Die PKK solle seiner Partei endlich den Weg öffnen, schimpfte der HDP-Abgeordnete Ertugrul Kürkcü. „Eine Rückkehr zum Waffenstillstand nützt allen.“
Auch bei Medienvertretern, die zu den Verfechtern kurdischer Anliegen und zu Kritikern der Regierung gehören, wächst der Ärger über die Kurdenrebellen. „Ist die PKK denn blind und taub?“ fragte der Kolumnist Metin Münir in einem Beitrag für die Nachrichtenplattform T24. Die PKK hätte viele Möglichkeiten gehabt, auf wachsenden Druck des Staates zu reagieren, habe aber „ohne Zögern die dümmste gewählt“, schrieb Münir mit Blick auf die neue Gewalt. Möglicherweise wolle die alternde Führungsriege der PKK nicht einsehen, dass es an der Zeit sei, die Dinge den Politikern bei der HDP zu überlassen.
Wie die Kritik auf die PKK-Führung wirkt, ist unklar. Die Union der kurdischen Gemeinschaften (KCK) als politischer Arm der PKK erklärte sich zu einem Waffenstillstand bereit, stellte aber Bedingungen, die für Ankara unannehmbar sind. Der führende PKK-Kommandant Cemil Bayik sagte, die Rebellen würden ihre Angriffe einstellen, wenn die Armee mit ihren Aktionen aufhöre. Doch unter dem Eindruck immer neuer Anschläge wird die Regierung wohl kaum dazu bereit sein.
Keine Besuche für Öcalan
Bisher hat sich nur ein wichtiger Akteur noch nicht geäußert. Der inhaftierte PKK-Chef Abdullah Öcalan, der in den vergangenen Jahren mit dem türkischen Staat verhandelte und 2013 die jetzt gebrochene Waffenruhe anordnete, sitzt von der Außenwelt abgeschnitten auf der Gefängnisinsel Imrali ein. Derzeit untersagt Ankara alle Besuche bei ihm. Dabei hat nur Öcalan die Macht und das Ansehen, die PKK zurückzupfeifen. Die HDP fordert deshalb die Erlaubnis, eine Delegation nach Imrali zu schicken.