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BRÜSSEL
Die Front verläuft in Europa
Detlef Drewes
Detlef Drewes
 |  aktualisiert: 25.11.2015 03:47 Uhr

Noch sind es nur deutliche Worte, gesprochen wenige Stunden nach den Anschlägen: „Das war ein Kriegsakt einer feindlichen Armee, des Islamischen Staates“, erklärte der französische Staatspräsident François Hollande. „Wir befinden uns im Krieg“, unterstrich auch der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte. „Dieser Anschlag trifft uns alle“, betonte Kanzlerin Angela Merkel. Und auch Bundespräsident Joachim Gauck sprach von einer „neuen Art von Krieg“.

Es ist nicht nur die Wut über den Massenmord, der die Wortwahl martialisch werden lässt. Die europäischen Staatenlenker reagieren auf die Kriegserklärung des Islamischen Staates (IS), der nicht mehr geschulte Amateure, sondern ausgebildete Elite-Kämpfer ausschwärmen ließ, weil Frankreich die „Moslems im Kalifat mit seinen Flugzeugen angegriffen“ habe. Seit Freitag wird der Krieg des IS auch auf europäischem Boden geführt. Die Folgen könnten weitreichend sein, weil die Sprache der Politiker den Griff zum Beistandsversprechen nach Artikel 5 des Nato-Vertrages fast schon enthält.

Während Artikel 4, der zuletzt im Juli dieses Jahres von der Türkei nach heftigen Gefechten an der syrisch-türkischen Grenze ausgerufen worden war, lediglich gegenseitige Konsultationen vorsieht, fordert der nachfolgende Absatz den versprochenen Beistand ein: „Die Mitglieder stimmen überein, dass ein bewaffneter Angriff gegen einen oder mehrere von ihnen in Europa oder Nordamerika als Angriff gegen jeden von ihnen gewertet wird.“ Daraus folgt, dass jeder dem Angegriffenen zur Seite stehen muss, „wie jede Partei es für notwendig erachtet, die Einsetzung von bewaffneten Truppen inbegriffen“.

Der ehemalige deutsche Nato-General Egon Ramms sagt: „Eine ähnliche Situation hat im Jahr 2001 zum Bündnisfall geführt. Der Nato-Rat müsste auf Antrag von Frankreich entscheiden, ob das nach den Anschlägen von Paris jetzt auch der Fall ist.“ In der Nacht zum Sonntag bestätigte Jens Stoltenberg, der Generalsekretär der Allianz, dass das Bündnis im Kampf gegen die Gotteskrieger an der Seite Frankreichs stehe. Ein offizieller Antrag aus Paris, Artikel 5 zu aktivieren, lag aber bis gestern noch nicht vor.

Die EU-Führungen wissen auch, dass Bewachung und Prävention nicht mehr reichen. Hollandes Ansage, man werde „gnadenlos reagieren“, was die Kanzlerin mit der Formulierung „mit allen Mitteln“ unterstützte, weist offenbar die Richtung: Das Häuflein alliierter Flugzeuge, die im Irak und Syrien gegen den IS operieren, reicht nicht mehr. Harald Kujat, 2000 bis 2002 Generalinspekteur der Bundeswehr, erklärte: „Die Frage nach dem Bündnisfall ist jedoch an die Frage gekoppelt, wozu man im Kampf gegen den IS bereit ist. Meines Erachtens wären in dem Fall Bodentruppen die einzige Alternative.“ Wenn die bisherige US-geführte Allianz in Syrien aber zum Nato-Einsatz wird, verschieben sich die Fronten. Dann herrscht Krieg. Und die Front verläuft nicht mehr nur im Nahen Osten.

 
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