55 Jahre nach Unterzeichnung des Elysée-Vertrags wollen Deutschland und Frankreich ihre Freundschaft weiter vertiefen. Am 22. Januar 1963 hatten Charles de Gaulle und Konrad Adenauer das Friedensabkommen in Paris unterzeichnet. Zum Jahrestag hat der Deutsche Bundestag eine aufbauende Resolution beschlossen, über die am gleichen Tag auch in der Französischen Nationalversammlung abgestimmt wurde.
Sie wird von den Fraktionen Union, SPD, FDP und Grünen sowie fünf Fraktionen der Assemblée Nationale gemeinsam getragen und verpflichtet die Regierungen rechts und links des Rheins, einen neuen Elysée-Vertrag auszuarbeiten.
Der Entschließungsantrag sieht noch engere Kooperationen auf allen Feldern der Politik vor. Das Papier fordert beispielsweise mehr Handlungsbefugnisse für Verwaltungskooperationen in der Grenzregion, die Eurodistrikte: Sie sollen grenzüberschreitende Körperschaften wie Kindergärten, Krankenhäuser und Nahverkehrsbetriebe unterhalten dürfen.
EU-Vorschriften zum Binnenmarkt sollen im Grenzraum künftig gemeinsam umgesetzt werden. Dort könnten bilinguale Schulklassen entstehen und solche, in denen sowohl das deutsche als auch das französische Abitur erworben werden kann.
Ab gestimmte Normen
Im Wirtschaftsrecht fordert das Papier abgestimmte Sozialnormen, ein einheitliches Insolvenzrecht und eine Angleichung der Firmensteuern. Auf dem Arbeitsmarkt soll es den grenzübergreifenden Praktikantenstatus geben sowie im Grenzgebiet die Möglichkeit, sich an Arbeitsämter auf beiden Seiten zu wenden.
In der Energie- und Klimapolitik stehen der grenzüberschreitende Ausbau von Stromnetzen, mehr Verkehrsverbindungen und einheitliche Ladesysteme für Elektroautos im Fokus. Aus einer deutsch-französischen Initiative soll eine europäische Innovationsagentur entstehen, die die Forschung an künstlicher Intelligenz vorantreibe.
„Weil sich in 55 Jahren die Welt und Europa verändert haben, brauchen wir eine Erneuerung des Elysée-Vertrags“, erklärt der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion Jürgen Hardt (CDU). Achim Post (SPD) betont die doppelte Funktion des Abkommens: die Fortführung der Freundschaft, in der sich beide Partner „von Erbfeinden zu einem unzertrennlichen Ehepaar“ entwickelt hätten – und den Impulscharakter, den eine enge Bindung der beiden größten Volkswirtschaften der EU habe: „Ohne die deutsch-französische Kooperation geht in Europa nichts richtig vorwärts“, ist sich Post sicher. So sieht der Vertrag eine engere Zusammenarbeit in europaweit wichtigen Fragen wie Klimaschutz, Flüchtlingsdebatte und Sicherheitspolitik vor. Eine Arbeitsgruppe soll Vorschläge für die Zukunft der Wirtschaft- und Währungsunion erarbeiten.
Gerade in dieser Frage zeigten sich Deutschland und Frankreich zuletzt unversöhnlich: Während Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Ex-Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zur Haushaltsdisziplin mahnten, forderte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron die Transferunion. Im Sondierungspapier der möglichen Großen Koalition deuten sich Kompromisse an.
Arbeitsabläufe vernetzten
Andreas Jung (CDU) betont die Rolle der Städtepartnerschaften für die Zusammenarbeit vor Ort. Jung ist Vorsitzender der deutsch-französischen Parlamentariergruppe. Diese Gruppe deutscher und französischer Abgeordneter hat die Resolution ausgearbeitet. „Wir wollen alltägliche Arbeitsabläufe vernetzen“, erklärt der Heilbronner FDP-Abgeordnete Michael Link und ergänzt: „Es ist ein interessantes Experiment.“
Die Linke brachte einen Gegenantrag ein. Sie sieht in der Resolution einen deutsch-französischen Führungsanspruch, der ein weiteres Auseinanderdriften der Gemeinschaft befördere. Die AfD stimmt gegen beide Anträge, sie fürchtet laut Fraktionsvorsitzendem Alexander Gauland „eine weitere Aushöhlung der nationalen Souveränität“.
Denn am Nachmittag reiste eine Delegation des Bundestags nach Paris. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble sprach dort vor der Nationalversammlung. Zuvor hielt Frankreichs Parlamentspräsident François de Rugy im Bundestag eine Rede, der zur Sondersitzung zusammentrat – mit Debatte statt Feierstunde. Der Angst vor einem „Direktorium“ der beiden Partner in der EU trat er entgegen: „Multilateralismus ist das Erfolgskonzept Europas.“ Rugy betonte: „Unsere beiden Länder sind nicht nur ein Paar, sie sind eine Familie.“