Ein Runder Tisch in Nürnberg mit Ministerin Melanie Huml (CSU) sollte Verbesserungen bringen. In diesem Jahr will Huml sich noch drei Mal mit den Hebammen treffen, um einen Aktionsplan auf die Beine zu stellen. Was Mechthild Hofner (53), Vorsitzende des Bayerischen Hebammen-Verbandes, will.
FRage: Immer mehr Hebammen in Bayern überlegen, aufzuhören. Was muss passieren, damit die Versorgung mit Hebammen besser wird?
Mechthild Hofner: Man muss ja zwischen langfristig und kurzfristig wirksamen Verbesserungen unterscheiden, und auch die langfristigen Verbesserungen müssen jetzt angegangen werden. Aber es gibt eben einen akuten Hebammenmangel und der droht sich laut der Umfrage noch massiv zu verstärken. Daher brauchen wir auch Maßnahmen, die sofort wirksam sind.
Und welche wären das?
Hofner: Die Arbeits- und Rahmenbedingungen in der Geburtshilfe müssen in den Kliniken sofort verbessert werden. Das wäre machbar. Wenn fachfremde Arbeiten wie das Putzen des Kreißsaals, Bettenputzen, Instrumentenversorgung an andere Berufsgruppen übergeben werden, sind dies Maßnahmen, die uns Hebammen sofort entlasten würden und schnell umgesetzt werden könnten. Auch bei den umfangreichen Dokumentationspflichten bräuchten Hebammen Unterstützung durch Schreibkräfte. Dies müsste an allen Kliniken flächendeckend gesichert sein. Dann haben die Hebammen wieder mehr Zeit für die werdenden Mütter.
Zu wenig Zeit für die Gebärenden ist ein häufig genannter Kritikpunkt.
Hofner: Ja, die fehlende Zeit für die Frauen ist der große Frust. Wir Hebammen haben den Beruf gelernt, um die Frauen zu befähigen, eigenständig und natürlich ihre Kinder zur Welt zu bringen. Dafür braucht es Zeit, Geduld, einen geschützten Raum – und das ist oft nicht mehr möglich. Wir genügen nicht mehr der einen Frau, weil wir ständig mehrere Frauen gleichzeitig betreuen müssen. Das schafft nicht die Grundlage für eine sichere Geburt. Und es gibt noch einen weiteren Punkt, der in den Kliniken geändert werden müsste: Die Geburt muss wieder zurückgeführt werden zur physiologischen Geburt. Die Geburtshilfe muss interventionsärmer und nicht so pathologisiert werden. Geburt ist keine Krankheit.
Das heißt, die Kaiserschnittquote ist zu hoch?
Hofner: Ja, eindeutig. Ein Grund ist sicher auch, dass die Vergütung für einen Kaiserschnitt in der Klinik ungefähr doppelt so hoch ist wie die Vergütung einer physiologischen Geburt. Auch das müsste dringend geändert werden. Die Geburt ist primär ein ganz natürlicher Vorgang. Es ist der Beginn allen Lebens. Warum sorgen wir dann als Gesellschaft nicht dafür, dass dieser erste Schritt ins Leben in einer Atmosphäre voll Vertrauen, Geborgenheit und Sicherheit getan werden kann?
Sie fordern vor allem mehr Zeit für die Mütter. Im Idealfall hieße dies, dass sich in der Klinik nur eine Hebamme um eine Gebärende kümmert, oder?
Hofner: Die 1:1-Betreuung ist der Wunsch der Hebammenschaft. Und auch Studien belegen, dass dies die beste Voraussetzung für eine physiologische und sichere Geburt ist. Aber in der Realität sieht es so aus, dass eine Hebamme für drei oder vier Frauen zuständig ist. Und das ist zu viel. Ein fester Personalschlüssel mit Personaluntergrenzen ist daher eine ganz wichtige Forderung. Der Deutsche Hebammenverband fordert dies über das Geburtshilfestärkungsgesetz.
Nun schließen gerade kleinere Geburtskliniken, da es zu wenig Hebammen gibt.
Hofner: Ja, das ist ein Teufelskreislauf. Schließen kleine Kliniken, müssen die großen Zentren diese Geburten mit aufnehmen, ohne dass dafür vorher die Struktur zur Bewältigung der steigenden Geburtenzahl geschaffen wurde, das heißt personell wie auch durch zusätzliche Kreißsäle.
Gerade kleine Kliniken stehen unter einem großen wirtschaftlichen Druck.
Hofner: So ist es. Damit sich eine Geburtsstation heute wirtschaftlich rechnet, müssten schon circa 1000 Geburten im Jahr dort stattfinden. Die Schließung kleiner, wohnortnaher Stationen ist aber auch die Folge einer Politik, die über Jahre die Zentralisierung in großen Kliniken gefördert hat. Erst jetzt gibt es ein Umdenken, weil klar wird, dass damit den werdenden Müttern Anfahrtswege von 40 Minuten und mehr zugemutet werden. Der lange Anfahrtsweg birgt auch Risiken für Mutter und Kind.
Hilft der 1000-Euro-Bonus, den die Staatsregierung eingeführt hat, um Hebammen zurückzugewinnen?
Hofner: Die 1000 Euro sind ein Zeichen der Wertschätzung. Aber keine einzige Hebamme bleibt deshalb im Beruf oder kehrt zurück.
Die die Bezahlung ist wohl auch ein Punkt, der verbessert werden muss oder?
Hofner: Ja, die Vergütung muss angemessen sein. Aber das ist nur ein Punkt, um die Arbeitsbedingungen attraktiver zu machen. Insgesamt gilt: Nur, wenn ich die Arbeits- und Rahmenbedingungen verbessere, habe ich die Chance, dass Hebammen in den Beruf zurückkehren oder ihre Arbeitszeit aufstocken. 50 Prozent der frisch examinierten Hebammen gehen sofort nach der Ausbildung gar nicht in die Geburtshilfe.