Die EU drückt beim Klimaschutz aufs Tempo. Bis 2030 sollen die Treibhausgase deutlich stärker reduziert werden als bisher geplant. Dies hat Brüssels zuständiger Kommissar Miguel Arias Canete jetzt angekündigt. Umweltschützern ist das immer noch zu wenig, Kritiker befürchten, dass zunehmend ambitioniertere Ziele nichts bringen, weil schon bisherige Vorgaben verfehlt werden – auch von Deutschland.
Rekordhitze und Rekord-Temperaturen – die Angst vor den Folgen für die Erderwärmung hat nun auch Brüssel erfasst. Wenige Monate, bevor die Weltgemeinschaft bei ihrem Treffen im polnischen Kattowitz neue Zusagen zum Klimaschutz verabschieden will, hat die EU-Kommission sich für ambitioniertere Ziele als bisher geplant stark gemacht. Miguel Arias Canete, im Juncker-Team für Klimaschutz zuständig, rechnete den Mitgliedstaaten am Dienstag vor, was er ihnen demnächst schriftlich präsentieren will: Bis 2030 soll die Gemeinschaft die Treibhausgase um bis zu 45 Prozent reduzieren – anstatt der bisher anvisierten 40 Prozent.
Rechenmodelle
Grundlage dafür könnte eine Einigung mit den Mitgliedstaaten im Frühsommer sein. Da hatten sich die Regierungen darauf verständigt, den Anteil regenerativer Energiequellen nicht nur auf 27, sondern auf 32 Prozent auszubauen. Die Einspareffekte durch das Energiesparen könnten von auf 32,5 Prozent (statt 30) erhöht werden. „Auf Grundlage unserer Rechenmodelle würden wir de facto eine Reduzierung der Treibhausgase um 45 Prozent in der EU erreichen“, sagte Canete und versprach eine „starke Position“ der Union bei den Gesprächen im Kreis der Vereinten Nationen.
„Die Europäische Union sollte Schrittmacher beim internationalen Klimaschutz sein“, forderte gestern auch der SPD-Europa-Politiker Jo Leinen in einer Erklärung gegenüber dieser Redaktion. Als „vernünftig“ bezeichnete sein Kollege Peter Liese, EU-Parlamentarier für die CDU, den Vorstoß des Kommissars. „Die Verpflichtungen, die alle Partner eingegangen sind, reichen nicht aus, um das Zwei-Grad-Ziel auch nur annähernd zu erreichen. Von dem 1,5-Grad-Ziel, das in Paris auch ins Auge gefasst wurde, möchte ich erst gar nicht reden, davon sind wir viel zu weit entfernt“, sagte Liese gegenüber dieser Redaktion.
Die Einigkeit der Umweltpolitiker scheint groß. Doch nicht alle Regierungen ziehen mit. Erst vor wenigen Tagen bezeichnete Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) ein 30-Prozent-Ziel bis 2030 als nicht realistisch. Kein Wunder, Deutschland ist auf dem besten Weg, seine selbst gesteckte Vorgabe, den CO2-Ausstoß schon bis 2020 unter 40 Prozent im Vergleich zu 1990 zu drücken, zu scheitern – ganz im Gegensatz zur Europäischen Union als Ganzes.
Sinnvolle Debatte
Die EU werde „die selbst gesetzten Ziele für 2020 nicht nur erreichen, sondern nach Prognosen deutlich übererreichen“, betonte Liese. Daher sei die europäische Debatte sinnvoll und zielführend. Denn ein gefährlicher Klimawandel könne nur einigermaßen sicher ausgeschlossen werden, wenn das Zwei-Grad-Ziel erreicht werde. Doch das Bild bei den Brüsseler Verhandlungen ist immer dasselbe: So lange es um europäische Zielwerte geht, sind Einigungen kein Problem. Kaum errechnet die Kommission daraus die nationalen Vorgaben, geht der Streit los. Teilweise werden die Regierungsvertreter dabei von den Unternehmen phantasievoll unterstützt. Kurz vor der Sommerpause beschwerte sich die EU-Kommission über einige Autobauer, die die Abgaswerte manipuliert hatten. Allerdings gaben sie dieses Mal deutlich schlechtere Werte für ihre Fahrzeugflotte an, um so zu verhindern, dass Brüssel ehrgeizige strengere Vorschriften erlässt.
Auch Canete braucht für seine Pläne die Zustimmung der Mitgliedstaaten, die gestern zunächst schwiegen. Bisher haben nur die Niederlande signalisiert, dass sie sogar noch weiter gehen und die Klimakiller bis 2030 um 55 Prozent gegenüber 1990 reduzieren wollen.