
Der Satiriker Martin Sonneborn sitzt für die Spaßpartei „Die PARTEI“ im Europäischen Parlament. Im Interview zieht er Bilanz über sein erstes Jahr als Abgeordneter, spricht über die Querelen mit NPD-Funktionär Udo Voigt und gibt – augenzwinkernd – einen Ausblick auf seine politischen Pläne, zu denen auch die Einführung eines amazonfreien Mittwochs gehört.
Martin Sonneborn: Ich laufe gerade durch Brüssel, auf dem Weg ins Parlament.
Sonneborn: Ich muss mich eintragen. Für mein Tagegeld.
Sonneborn: 306 Euro. Es ist erhöht worden.
Sonneborn: Im Moment: Interviews. Aber mehr sportlich. Ich bin ja Fachmann was Bestechungen in Fifa-Kreisen angeht. Da gibt es momentan viel Interesse.
Sonneborn: Ich hab ja mehrere Projekte. Das erste ist die Einführung eines amazonfreien Mittwochs. Das läuft gut. Das zweite ist das Projekt der Waffenkrümmung. Wir wollten die EU-Vorschrift für Gurken – die 2009 abgeschafft wurde, weil zu viele Menschen darüber gelacht haben – wieder einführen; allerdings für deutsche Exportwaffen. Ich habe auch 40 Parlamentarier gefunden, die das mittragen würden. Dann müsste sich die EU-Kommission damit befassen. Jetzt ist uns leider Heckler & Koch zuvorgekommen und baut von alleine Waffen, die diese Vorgaben erfüllen.
Sonneborn: Bleibend war auf jeden Fall die Erfahrung, sehr viel Geld zu bekommen. Ich muss hier ja 33 000 Euro im Monat ausgeben – nicht ganz privat, sondern inklusive Bürokosten, Kaffeepulver, Faxpapier etc. Aber relativ viel. Und ich muss relativ wenig arbeiten. Ich hab neulich in einer Woche exakt zwei Minuten gearbeitet. Das war bei der Befragung der designierten EU-Kommissare Navracsics und Oettinger. Da hatte ich jeweils 60 Sekunden, die beiden auf Herz und Nieren zu prüfen. Beide sind merkwürdigerweise trotzdem EU-Kommissar geworden – was zeigt, was für eine schöne Showveranstaltung das war.
Sonneborn: Nein. Die EU ist die einzige Möglichkeit sich mit Europa auseinanderzusetzen. Es ist ja nicht ganz einfach 500 Millionen Menschen zu regieren. Die EU ist lustiger als ihr Ruf.
Sonneborn: Also lustig sind die Situationen im Plenum. Das ist wie in der Schule früher. Ich bin zum ersten Mal nicht der Verhaltensauffälligste in meiner Umgebung. Ich sitze da unter den ganzen Rechtsradikalen und dem ganzen Abschaum aus irgendwelchen nationalistischen Parteien. Man sitzt da also, es geht darum, wer den lustigsten Zwischenruf macht. Udo Voigt (Abgeordneter der NPD, Anm. d. Red.) fotografiert mich heimlich, wenn ich um 12 Uhr zu einer Abstimmung komme und schreibt dann ins Internet. Er sei schon vorbildlich seit 8 Uhr tätig, und dass der Abgeordnete der Spaßpartei erst um 12 Uhr gut ausgeschlafen zu den Abstimmungen kommt. Ich kommentiere das dann auf meiner Facebook-Seite und schreibe: „Udo Voigt spinnt. Ich war gar nicht ausgeschlafen...“
Sonneborn: Nach zwei Bier werde ich gemocht. Die jüngeren Abgeordneten oder Praktikanten etablierter Politgrößen kommen auch mal vorbei, holen sich Autogramme und erzählen was in ihren Büros so abläuft. Eigentlich hab ich einen ganz guten Status hier im Parlament.
Sonneborn: Nein. Ich weiß, dass ich im Parlament nichts bewirken kann. Wirklich nichts. Das Parlament an sich ist ein demokratisches Feigenblatt.
Sonneborn: Wir haben festgestellt, wenn wir mehrfach hintereinander antreten, verdoppeln wir unser Ergebnis bei jeder Wahl. Fähige Mathematiker haben ausgerechnet, dass wir noch 64 weitere Bundestagswahlen brauchen, bis wir die absolute Mehrheit haben im Land.
Sonneborn: Die Stimmung ist gut. Mich interessiert aber eigentlich Nordkorea viel mehr.
Sonneborn: Weil ich gerne nach Nordkorea reisen möchte. Ich glaube, dass die Demokratie als Auslaufmodell gelten darf. Da sie einerseits von den Amerikanern irreparabel beschädigt wurde, und sich andererseits zeigt, dass man heute keine wirklichen Entscheidungen mehr treffen kann. Deswegen glaube ich, dass wir von Nordkorea und Kim Jong Un viel lernen können.
Martin Sonneborn
Der Journalist und Satiriker wurde 2014 als Spitzenkandidat der Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative – „Die PARTEI“ ins Europäische Parlament gewählt. Dort gehört er unter anderem der Delegation für die Beziehungen zur Koreanischen Halbinsel an.
Der Göttinger wurde 1965 geboren. Er studierte Publizistik, Germanistik und Politikwissenschaft. Im Jahr 2000 wurde er Chefredakteur des Satire-Magazins „Titanic“, seit 2006 verantwortet er bei „Spiegel Online“ die Satire-Rubrik Spam.
Er ist Chef von „Die PARTEI“. Diese wurde 2004 von „Titanic“-Redakteuren gegründet. Text: AZ