Der Kampf gegen Falschnachrichten im Internet wird verschärft. Das hat die Brüsseler EU-Kommission am Donnerstag angekündigt und erste Anregungen dazu vorgelegt. Doch die Frage bleibt, ob es mit Appellen und einer Forderung nach mehr Selbstkontrolle getan ist. Experten haben Zweifel.
Auf Facebook ist die EU gerade nicht gut zu sprechen. Der Skandal um die Weitergabe von Daten an das Unternehmen Cambridge Analytica, das personalisierte politische Nachrichten zur Wahlbeeinflussung an User verschickte, hat die Mitgliedstaaten tief getroffen.
Umso erstaunlicher erscheint die Zurückhaltung, mit der nun auf Falschnachrichten im Internet reagiert werden soll. Zwar betonte der für Sicherheitsfragen zuständige EU-Kommissar Julian King am Donnerstag bei der Vorstellung der Initiative: „Der Gebrauch von Fake News und Desinformation im Internet als Waffe stellt eine ernste Bedrohung der Sicherheit unserer Gesellschaft dar.“
Die Antwort der Kommission beinhaltet aber bisher nur viel Unverbindlichkeit. Bis zum Juni sollen die Online-Plattformen wie Facebook, Twitter und andere selbst einen Verhaltenskodex ausarbeiten, um Nachrichten und politische Werbung deutlicher voneinander zu trennen, Scheinkonten zu schließen und Fake News durch Faktenprüfungen zu entlarven.
Schon im Oktober müsse die Wirkung dieser Eingriffe spürbare Auswirkungen zeigen. Erst dann will Brüssel entscheiden, ob und mit welchen Maßnahmen oder Sanktionen die Betreiber schärfer zur Mitverantwortung gezwungen werden können.
Investigative Recherche
Im selben Zug fordert die EU-Behörde mehr Qualitätsjournalismus und investigative Recherche. „Das beste Mittel gegen Fake News, Desinformation und Propaganda ist gut finanzierter und unabhängiger Journalismus mit hohen professionellen Standards“, kommentierte die stellvertretende Vorsitzende des Kulturausschusses im EU-Parlament, die Grünen-Politikerin Helga Trüpel, den Vorstoß.
Wie gravierend die Auswirkungen sind, könnte die EU-Kommission sich eigentlich von eigenen Experten schildern lassen. Innerhalb des Auswärtigen Dienstes der EU wurde 2015 ein Spezialisten-Team installiert, das unter der Bezeichnung „EU East StratCom Task Force“ (Strategisches Kommunikationsteam Ost) vor allem „Russlands laufender Desinformationskampagne“ entgegensteuern soll. Seit Betriebsbeginn filterten die Experten für ihre wöchentliche Übersicht der neuesten Fake News 3200 Falschmeldungen heraus.
Da gibt es absurde Nachrichten wie die Behauptung, die deutsche Bundeskanzlern habe syrischen Flüchtlingen einen Besuch bei tschechischen Prostituierten aus Steuergeldern finanzieren lassen. Sehr viel häufiger aber würden, so sagen die StratCom-Experten, Zitate aus dem Zusammenhang gerissen oder verzerrt dargestellt.
Ende April dokumentierten die Fake-News-Spezialisten in Brüssel, wie die russische Propaganda Berichte über einen Giftgas-Angriff in Syrien als Lüge hinzustellen versuchte. Bebildert waren diese Nachrichten mit dem Foto eines scheinbar toten Mädchens auf einem Anhänger, während rundherum alles sauber scheint und eine gut gekleidete Filmcrew Aufnahmen macht.
Tatsächlich, so fanden die StratCom-Beobachter heraus, handelte es sich um ein Foto aus dem Jahre 2016 von Dreharbeiten zu einem Dokumentarfilm, der rein gar nichts mit tödlichen Bio-Waffen oder realen Kampfhandlungen zu tun hatte.
Gezielte Desinformation
„Das Ziel besteht nicht darin, das Publikum zu informieren, sondern zu desinformieren“, kommentieren die Task-Force-Experten.
Dass das Thema auch von der breiten Öffentlichkeit zunehmend als Bedrohung empfunden wird, bestätigten Umfragen des Europäischen Statistikamtes Eurostat vom Frühjahr dieses Jahres.
Dabei gaben 83 Prozent der Befragten an, dass sie Fake News als Gefahr für den Fortbestand der Demokratie ansehen.