Nach einer kurzen Nacht war in Berlin wie in den meisten Landeshauptstädten die Erleichterung groß. Dass es der Bundeskanzlerin samt ihrer Ministerriege und den Ministerpräsidentinnen und –präsidenten der 16 Länder am späten Donnerstagabend gelungen war, sich nach fast fünfstündigen und teilweise sehr zähen Verhandlungen auf ein umfangreiches und weitreichendes Maßnahmenpaket zur Bewältigung der Flüchtlingskrise zu einigen, stieß am Freitag parteienübergreifend auf ein positives Echo.
„Endlich wird gehandelt und nicht nur geredet. Das wurde auch Zeit“, sagte Vizekanzler, Wirtschaftsminister und SPD-Chef Sigmar Gabriel. Das Paket sei Voraussetzung dafür, das Versprechen der Bundeskanzlerin, dass man es schaffe, auch erfüllen zu können. Gleichwohl dürfe man die Herausforderungen nicht kleinreden. Jeder müsse seine Ängste äußern können. Er gehe weiterhin davon aus, dass in diesem Jahr mehr als 800 000 Flüchtlinge nach Deutschland kommen. Eine solche Größenordnung sei aber nicht jedes Jahr zu bewältigen.
In Kreisen der SPD-Ministerpräsidenten herrschte ebenfalls große Zufriedenheit. „Mehr kann man echt nicht wollen“, hieß es nach dem Gipfel. Der Bund habe sich „deutlich bewegt“ und sei den Ländern „weit entgegengekommen“, vor allem bei der dauerhaften und strukturellen Übernahme der Kosten.
Auch der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer, der in den vergangenen Tagen massive Kritik am Kurs von Bundeskanzlerin Angela Merkel geübt und ihr schwere Fehler vorgeworfen hatte, zeigte sich zufrieden mit den Ergebnissen, verwies aber gleichzeitig darauf, dass sie lediglich ein „Zwischenschritt“ seien. „Wir müssen weiter sehr auf eine Begrenzung der Zuwanderung achten.“
Die Grünen taten sich mit dem Kompromiss sichtlich schwer. Zwar seien Leistungskürzungen für Ausreisepflichtige oder die Ausweitung der sicheren Herkunftsländer „schwer tragbar“, dennoch seien ein legaler Zugang für Menschen vom Westbalkan zum deutschen Arbeitsmarkt, eine direkte Unterstützung der Minderheiten auf dem Balkan und eine regelmäßige Überprüfung der sicheren Herkunftsländer erreicht worden, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann, aller grünen Vize-Regierungschefs in den Ländern sowie der Partei- und Fraktionsvorsitzenden im Bund.
„Wir haben damit faktisch den Einstieg in ein Einwanderungsgesetz geschaffen.“
Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sprach dennoch von „bitteren Pillen in dem Paket“. So sei es eine „Schikane“, abgelehnten Asylbewerbern die Leistungen zu kürzen, zudem stelle sich die Frage, ob die Umstellung von Geld- auf Sachleistungen verfassungsfest sei. An den Grünen in den Ländern dürfte das Gesetzespaket, dem auch der Bundesrat zustimmen muss, allerdings nicht scheitern, Ministerpräsident Kretschmann bekannte sich dazu, zu den Beschlüssen des Bund-Länder-Gipfels zu stehen. Dafür zeigte auch Göring-Eckardt Verständnis: „Das sind Kompromisse, die gemacht werden mussten.“ Kretschmann habe sie „nicht leichten, sondern schweren Herzens“ gemacht.
Die Linkspartei und die Hilfsorganisation „Pro Asyl“ übten hingegen massive Kritik an den Beschlüssen. Die Linken-Vorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger lehnten die geplanten Verschärfungen des Asyl- und Ausländerrechts und die Leistungseinschränkungen für Asylbewerber als „kurzsichtigen Aktionismus“ ab.
Noch deutlichere Worte fand Günter Burkhardt, der Geschäftsführer von „Pro Asyl“: „Hardliner haben sich auf Kosten der Menschenrechte von Flüchtlingen durchgesetzt.“ Man stehe vor einer „Orbanisierung der Flüchtlingspolitik an Europas Grenzen“. Die Herabsetzung der Sozialleistungen unter das Existenzminimum sei ein „Angriff auf den Sozialstaat“.
Die Präsidentin des Deutschen Städtetags, die Ludwigshafener Oberbürgermeisterin Eva Lohse (CDU), forderte die Länder auf, die vom Bund bezahlte Pauschale pro Flüchtling unverändert an die Kommunen weiterzureichen. „Das Geld des Bundes darf nicht von den Ländern einbehalten werden, da ein Großteil der Kosten in den Kommunen anfällt.“