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Berlin
Die einsame Frau May
Die britische Premierministerin will bei Angela Merkel vor dem EU-Gipfel gut Wetter machen.
Doch vor dem Kanzleramt in Berlin steht sie erst mal ganz allein am roten Teppich.
Alle Blicke sind auf Theresa May gerichtet, die alleine in Richtung Kanzlerin marschiert. Ihr Ziel: ein Aufschub für den Brexit.
Foto: Omer Messinger, Getty Images
| Alle Blicke sind auf Theresa May gerichtet, die alleine in Richtung Kanzlerin marschiert. Ihr Ziel: ein Aufschub für den Brexit.
Bernhard Junginger
 |  aktualisiert: 18.04.2019 02:13 Uhr

Schon wieder kommt es beim Empfang von Theresa May vor dem Bundeskanzleramt in Berlin zu einer peinlichen Panne. Anders als beim letzten Mal im Dezember klemmt zwar nicht die Autotür, die britische Premierministerin kann mühelos aus der schwarzen Mercedes-Limousine aussteigen. Doch am roten Teppich, dort wo eigentlich Angela Merkel warten sollte, um sie zu begrüßen, steht: niemand.

May, im dunkeln, knielangen Kostüm und mit einem dicken Wollschal um den Hals, blickt kurz etwas irritiert. Will die deutsche Kanzlerin sie im Nervenkrieg um den Brexit mit derart demonstrativer Missachtung strafen? Die feine englische Art wäre das sicher nicht. May bemüht sich um Haltung, schreitet mit der sprichwörtlichen steifen Oberlippe durch das Blitzlichtgewitter und die Tür zum Kanzleramt. Die britische Premierministerin ist gekommen, um die Bundeskanzlerin vor dem EU-Sondergipfel, der am Mittwochabend stattfindet, um Rückendeckung zu bitten.
In Brüssel entscheiden die Regierungschefs der Europäischen Union darüber, wie es im Drama um den Austritt Großbritanniens weitergeht. Im für May schlimmsten Fall könnte es bereits am Freitag zu einem Ausscheiden der Briten zu den härtest möglichen Bedingungen kommen: dem „No-Deal-Brexit“ ohne Vertrag.

May kommt als Bittstellerin zur Kanzlerin

Für die Zustimmung zu dem Vertrag über einen geordneten Austritt kämpft May im Unterhaus des Parlaments in London seit Monaten vergeblich. So war bereits der ursprüngliche Brexit-Termin Ende März verstrichen, May hat die EU nun um einen weiteren Aufschub bis zum 30. Juni gebeten. Dafür will sie zunächst bei Merkel werben, um gleich danach zu Emanuel Macron nach Paris weiterzureisen. Der französische Präsident vertritt gegenüber Großbritannien eine deutlich härtere Linie als Merkel, vergangene Woche sagte er, die Europäische Union könne nicht dauerhaft Geisel der politischen Krise in Großbritannien sein.

Merkel dagegen hatte sich durchaus kompromissbereit gezeigt, an einem ungeregelten Brexit ist ihr nicht gelegen. Dass die Bundesregierung bereit ist, einen weiteren Brexit-Aufschub unter bestimmten Bedingungen zu akzeptieren, bekräftigte vor dem May-Besuch in Berlin Europastaatsminister Michael Roth (SPD). Eine dieser Bedingungen sei, dass Großbritannien an den Europawahlen Ende Mai teilnimmt, was sowohl in der EU, als auch auf der Insel höchst umstritten ist.
May kommt als Bittstellerin zur Kanzlerin, in einer Position der Schwäche. Es ist ein schwerer Gang für die 62-Jährige, auch ohne die vermeintliche Demütigung gleich zu Beginn. Die sich, schnell als Missverständnis herausstellt. Die Autokolonne von May war nämlich zwei, drei Minuten zu früh vorgefahren. Und Merkel, die ihre Termine nach Sekunden taktet, deshalb schlichtweg noch nicht empfangsbereit.

Merkel hält eine Verschiebung des Brexit bis Anfang 2020 für möglich

Durch die Glaspforte ist dann zu sehen, wie sie Theresa May entgegen eilt, sie herzlich umarmt, mit Küsschen rechts und links begrüßt. Die beiden Regierungschefinnen gehen sogar noch einmal nach draußen und holen für die Fotografen eine demonstrativ freundliche Begrüßung nach. Mit einer Handbewegung deutet Angela Merkel auf die strahlende Frühlingssonne, als wolle sie damit sagen, dass es durchaus noch einen Schimmer der Hoffnung zur Einigung im Brexit-Drama gibt.
Eineinhalb Stunden bleibt May bei der Kanzlerin, über den Inhalt ihres Gesprächs wird nichts bekannt. Allerdings heißt es von Teilnehmern einer Sitzung der Unionsfraktion im Bundestag nach dem Treffen mit May, dass Merkel eine Verschiebung des britischen EU-Austritts bis Ende 2019 oder Anfang 2020 für möglich hält. Bei dem EU-Sondergipfel an diesem Mittwoch werde es um eine „Flextension“-Erweiterung des Austrittstermins gehen, sagte die Kanzlerin.

Welches Ergebnis der Sondergipfel bringe, sei noch nicht absehbar. Sie sehe aber die Chance, dass der Brexit-Termin verlängert werde. Eine solche Lösung werde dann flexibel gestaltet. Nach Angaben mehrerer Teilnehmer sagte die Kanzlerin, womöglich werde man erst kurz vor der Europawahl wissen, ob Großbritannien daran teilnehme oder nicht.Der Abschied von May gerät dann herzlich und verläuft ohne weitere Pannen. Merkel und May als Staatslenkerinnen vor den Flaggen von Deutschland, Großbritannien und der Europäischen Union – ein Motiv, das es so wohl nicht mehr allzu häufig geben wird.

 
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