Die Bundesregierung hat einen Gesetzentwurf zur Einführung einer Musterfeststellungsklage beschlossen. Verbraucher sollen demnach künftig mehr Rechte bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche gegenüber Unternehmen haben. Hunderttausende Volkswagen-Kunden, die vom Diesel-Skandal um manipulierte Schadstoffwerte betroffen sind, können nun auf eine Entschädigung hoffen. Doch gerade für sie ist es nun entscheidend, dass das Gesetz nun zügig vom Bundestag verabschiedet wird. Denn Ende des Jahres verjähren die Ansprüche zahlreicher Geschädigter der VW-Affäre.
Mit der sogenannten Musterfeststellungsklage sollen Verbraucher in Fällen, in denen viele Betroffene auf gleiche Weise einen Schaden erlitten haben, einfacher an Schadenersatz kommen – ohne selbst klagen zu müssen. Bislang muss jeder Kunde selbst gegen ein Unternehmen klagen, doch das ist teuer, aufwendig und riskant. Im Erfolgsfall gilt das Urteil nur für den Klagenden, weitere Betroffene müssen jeweils selbst vor Gericht ziehen. Anders als in der Volkswagen-Affäre geht es zudem oft um vergleichsweise geringe Beträge – etwa um unzulässige Bankgebühren, fehlerhafte Strompreisabrechnungen oder rechtswidrige Vertragsklauseln. Die Bereitschaft, den Klageweg zu bestreiten, ist entsprechend gering.
Risiko trägt der Verband
Künftig gibt es nun eine Klagemöglichkeit von Verbänden – etwa Verbraucherschutzorganisationen – gegen Unternehmen. Für eine Klage müssen zunächst mindestens zehn Verbraucher ihre Betroffenheit darlegen. Ist die Klage eingereicht, können sich weitere Betroffene in ein Klageregister eintragen. Der Verjährung ist vorgebeugt und das Musterfeststellungsverfahren wird zwischen dem Verband und dem Unternehmen geführt. Das Risiko und die Kosten trägt nicht der einzelne Verbraucher, sondern der Verband.
Bekommt der klagende Verband recht, orientiert sich auch die Entschädigung der weiteren Betroffenen an diesem Urteil. Justizministerin Katarina Barley von der SPD kündigte an, die „Einer-für-alle-Klage“ werde rechtzeitig zum 1. November kommen, damit auch die Betroffenen des VW-Skandals profitieren könnten. Der stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende Ulrich Lange sagte gegenüber unserer Zeitung: „Das ist natürlich eine Folge des Volkswagen-Skandals, die Rechte betroffener Diesel-Fahrer werden dadurch gestärkt.“ Zahlreiche teure Gerichtsprozesse in derselben Sache würden dadurch verhindert und die Geschädigten entlastet, so Lange. In der parlamentarischen Debatte müsse jetzt das Augenmerk auf die Ausgestaltung gelegt werden.
Lob vom ADAC
Auch ADAC-Chefjurist Markus Schäpe begrüßt die Entscheidung: Auf Anfrage unserer Zeitung sagte er: „Die Musterfeststellungsklage ist ein wichtiges Instrument, um den Betroffenen gerade im Dieselskandal zu ihrem Recht zu verhelfen.“ Indem berechtigte Verbände klagen könnten, würden rechtliche Fragen einmal abschließend behandelt. „Anschließend können die Verbraucher dann gegenüber dem Hersteller ihre Ansprüche geltend machen – mit Verweis auf das Ergebnis der Musterfeststellungsklage.“ Wenn etwa einmal vor Gericht geklärt werde, dass der Einbau einer Betrugssoftware in ein Dieselauto eine Wertminderung darstelle, „dann muss der Autobauer eben entsprechend eine Entschädigung zahlen – oder gar das Fahrzeug zurücknehmen“.
Industrie übt Kritik
Auch der Bundesverband der Verbraucherzentralen begrüßt den Gesetzentwurf und mahnt, der Bundestag müsse bei der Umsetzung nun Tempo machen – damit die Ansprüche der VW-Kunden nicht verjähren. Aus der Wirtschaft kommt Kritik. So hält der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) das Gesetz für überflüssig, neue Klageinstrumente seien „nicht notwendig“, da Deutschland bei der Durchsetzung von Verbraucherrechten „gut aufgestellt“ sei, so der Verband. Der Bundestag müsse das Gesetz so ausgestalten, „dass die Klagebefugnis nur für die gilt, denen es wirklich um das Wohl der Verbraucher geht“. Ansonsten drohe Missbrauch. Den Grünen geht das geplante Gesetz nicht weit genug. Fraktionschef Toni Hofreiter: „Funktionierender kollektiver Rechtsschutz geht anders. Wir schlagen vor, dass Verbraucher tatsächlich selbst klagen können, indem sie sich dazu mit anderen Geschädigten in einer Gruppe zusammentun.“