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PEKING
Die Delegierten dürfen nur zustimmen
Demonstration der Einigkeit: Der neue chinesische KP-Chef Xi Jinping (Zweiter von links in der ersten Reihe) und andere Parteigrößen.
Foto: dpa | Demonstration der Einigkeit: Der neue chinesische KP-Chef Xi Jinping (Zweiter von links in der ersten Reihe) und andere Parteigrößen.
Von dpa-Korrespondent Andreas Landwehr
 |  aktualisiert: 11.12.2019 15:37 Uhr

Die Körpersprache verrät die neue Machtverteilung an der Spitze der chinesischen Kommunisten: Altväterlich lehnt sich der 86-jährige „starke Mann“ Jiang Zemin in seinem Sitz auf dem Podium zurück, während die Beschlüsse des Parteitages verlesen werden. Neben ihm beugt sich der scheidende Staats- und Parteichef Hu Jintao am Mittwoch über seine Papiere, macht sich fleißig Notizen und scheint in den Blättern zu versinken.

Links sitzt der künftige Parteichef Xi Jinping etwas schief im Sitz. Der 59-Jährige lässt den Blick erwartungsvoll, vielleicht sogar ungeduldig über die Ränge der 2300 Delegierten in der Großen Halle des Volkes schweifen.

Harmonie und Inszenierung bestimmen den Parteitag. Das kommunistische Theater mit goldenem Hammer und Sichel als Kulisse, roten Fahnen und reihenweise Topfblumen hat nur einen Zweck: Der 18. Parteikongress soll der neuen Führung geschichtliche Legitimität verleihen. Alle Entscheidungen sind vorher gefallen. Nicht die Delegierten wählen die neuen Führer, sondern mächtige Familien, die Militärs, die Manager der Staatswirtschaft oder Repräsentanten der Regionen. Keiner weiß es so genau. Von Transparenz keine Spur.

Vor fünf Jahren war schon klar, dass Xi Jinping, der Sohn des revolutionären Militärführers, Vizepremiers und Wirtschaftsreformers Xi Zhongxun, an die Spitze der Macht klettern würde. Der große Skandal um den entmachteten Spitzenpolitiker Bo Xilai und dessen wegen Mordes an einem britischen Geschäftsmann verurteilte Frau hatte die Vorbereitungen für den Machtwechsel am Ende nur noch einmal kräftig durcheinandergewirbelt. Hinter den roten Kulissen wurde heftig um die neue Führungsmannschaft gerungen.

Die Delegierten haben hier nichts zu entscheiden, obwohl einer ohne jede Ironie von „Demokratie chinesischer Prägung“ spricht. Einträchtig heben sie die Hand, nehmen Beschlüsse an. Auf die Frage nach Gegenstimmen oder Enthaltungen erschallt jeweils sechsmal die Antwort der Saalordner: „Mei you – Keine.“ Selbst der Bericht der Disziplinkommission wird durchgewunken: „Tongguo – Angenommen!“ Kein bisschen Unmut, obwohl die Affären zeigen, dass die Sittenwächter im Kampf gegen Korruption alles andere als erfolgreich sind. Es ist eben schon eine Ehre, überhaupt als Delegierter dabei zu sein. Nur alle fünf Jahre gibt es so ein Spektakel. Damit ist jeder Parteikongress historisch. Da dürfen die Erinnerungsfotos vor den Säulen der monumentalen Halle nicht fehlen. Aber die naive Frage, wer eigentlich den großen Vorsitzenden wählt, löst zumindest bei einigen Delegierten verblüffende Ratlosigkeit aus. „Ich habe keine Ahnung“, räumt der 54-jährige Wang Yuesen ein.

„Das ist schwer zu erklären“, sagt auch der 44-jährige Hu Weiwu. Ob er wisse, wie das Verfahren ablaufe? „Nein.“ Ist nicht alles eine große Show? „Es ist vergleichsweise demokratisch“, beteuert der Wissenschaftler. Auch der Delegierte Yu Jiaoyou ist unsicher, wie die Partei zu ihrem Vorsitzenden kommt, der sich an diesem Donnerstag mit seiner neuen Führungsmannschaft dem Milliardenvolk präsentieren wird.

Statt nötige wirtschaftliche und politische Reformen zu diskutieren, dreht sich am Ende alles nur um Ideologie. Kritiker lasten Hu Jintao ein „verlorenes Jahrzehnt“ an, weil er untätig gewesen sei. Doch bekommt der Technokrat seinen Platz in der Geschichte. Sein „wissenschaftliches Entwicklungskonzept“ – der Wunsch nach nachhaltigem Wachstum – wird als Leitideologie in der Parteiverfassung besonders hervorgehoben, bevor die Militärkapelle die „Internationale“ anstimmt.

Dankbar erklärt der Hu Jintao den „erfolgreichen Abschluss“ des Parteitags. Patriarch Jiang Zemin, der nie ein gutes Verhältnis zu seinem hölzern wirkenden Nachfolger hatte, schüttelt ihm die Hand. Am Arm gestützt von einem Helfer verlässt der mächtige 86-jährige Parteiveteran wie die anderen Präsidiumsmitglieder das Podium. Umständlich sortiert Hu Jintao seine vielen Papiere und steht am Ende einsam an dem leeren, langen Tisch.

 
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