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FRANKFURT
Die Chefs der Deutschen Bank treten zurück
reda
 |  aktualisiert: 07.06.2015 19:53 Uhr

Libor-Skandal, umstrittene Hypothekengeschäfte in den USA, Untersuchungen wegen Geldwäscheverdachts in Russland, maue Erträge, Aktionärsschelte und ein Strafprozess: Die Chefs der Deutschen Bank, Anshu Jain und Jürgen Fitschen, haben keinen leichten Stand. Jetzt kündigen die beiden Topbanker, die seit Juni 2012 Deutschlands größtes Geldhaus gemeinsam führen, überraschend ihren Rückzug an. Jain tritt bereits Ende des Monats zurück, Fitschen nach der Hauptversammlung im Mai 2016. Neuer starker Mann wird der Brite und frühere UBS-Manager John Cryan.

Über die genauen Gründe für den Paukenschlag lässt sich nur mutmaßen. Jain selber erklärt: „Mit der Strategie 2020, die die Bank auf einen erfolgreichen Weg bringt, ist es zu diesem Zeitpunkt die richtige Entscheidung für die Bank und für mich, eine neue Führung zu etablieren.“ Dabei hatte der 52-Jährige beim jüngsten Vorstandsumbau noch mehr Macht erhalten.

Noch vor wenigen Wochen hatte Jain Fragen nach persönlichen Konsequenzen angesichts der nicht endenden Rechtsstreitigkeiten gekontert: „Das Beste, was ich tun kann, ist, die Probleme der Bank zu lösen, sie neu aufzustellen und ihre Leistung zu optimieren.“ Zuvor hatte Aufsichtsratschef Paul Achleitner betont, dass niemand unersetzbar sei: „Wer ist das schon? Es geht um die Zukunft der Institution Deutsche Bank, nicht um die von Individuen.“

Nach Informationen der „Financial Times“ soll für Jain auch das verheerende Votum der Aktionäre auf der Hauptversammlung Ende Mai eine Rolle gespielt haben. Jain und Fitschen wurden lediglich mit jeweils 61 Prozent entlastet. Üblich sind mit mindestens 90 Prozent erheblich mehr.

Verdacht der Geldwäsche

Jain war über Jahre Leiter des Kapitalmarktgeschäfts und damit der Sparte, in der die meisten teuren Altlasten der Bank ihren Ursprung haben. Erst kürzlich hatten britische und amerikanische Behörden die Bank wegen ihrer Verwicklungen in den Libor-Skandal um manipulierte Zinssätze zu einer Zahlung von 2,5 Milliarden Dollar verdonnert.

Zuletzt sorgten Ermittlungen wegen zweifelhafter Finanztransaktionen in Russland für Aufregung. Medienberichten zufolge durchleuchtet das Geldhaus Transaktionen über möglicherweise rund sechs Milliarden Dollar. Dabei steht der Verdacht der Geldwäsche im Raum.

Hinzu kommt: Statt Applaus für die neue Strategie kassierten Jain und Fitschen Kritik von allen Seiten. Nach der Vorstellung der Pläne, die einen Verkauf der Postbank und die Schließung von bis zu 200 eigenen Filialen vorsehen, stürzte der Aktienkurs ab. Auf der Hauptversammlung machten auch Profi-Investoren ihrem Unmut Luft.

Fitschen muss sich zudem derzeit in München vor dem Landgericht wegen des Verdachts des versuchten Prozessbetrugs im Kirch-Verfahren verantworten. Das kostet viel Zeit und Kraft und ist nicht gerade gut für das angekratzte Image der Bank.

„Unsere Kunden überzeugen“

Der neue Co-Chef und künftige starke Mann in den Zwillingstürmen, der Brite John Cryan, betont: „Unsere Zukunft hängt davon ab, wie gut wir unsere Strategie umsetzen, unsere Kunden überzeugen und die Komplexität reduzieren.“ Branchenkenner bescheinigen dem 54-Jährigen, in seiner Zeit als Manager bei der Schweizer Großbank UBS erfolgreich Strategien umgesetzt zu haben. Aufsichtsratschef Paul Achleitner ist sich sicher, den Richtigen gefunden zu haben, um die Bank wieder auf Kurs zu bringen: „Cryan verfügt nicht nur über große Erfahrung im Bank- und Finanzgeschäft, sondern steht persönlich und beruflich für die Werte, die nötig sind, die Deutsche Bank voranzubringen und die Strategie 2020 erfolgreich umzusetzen.“

Aktionärsschützer reagieren jedenfalls positiv: „Die Investoren haben kein Vertrauen mehr zu Anshu Jain und Jürgen Fitschen gehabt“, sagte Klaus Nieding, Vize-Präsident der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Es sei daher nur konsequent, dass es jetzt einen Wechsel an der Spitze gebe.

Das Duo Jain und Fitschen

Seit Juni 2012 hat das Duo Anshu Jain und Jürgen Fitschen die Deutsche Bank geführt – mit mäßigem Erfolg. Nun wollen sich beide zurückziehen. Ihre Kurzbiografien:

Jürgen Fitschen (66) machte als Co-Vorstandschef keinen Hehl daraus, wie mühsam die Aufarbeitung der Altlasten ist. Mitten im Umbruch bei der Deutschen Bank bindet ihn derzeit auch noch der Fall Kirch: Im Strafprozess vor dem Landgericht München wehrt sich Fitschen gegen den Vorwurf des versuchten Prozessbetrugs im Schadenersatz-Verfahren um die Kirch-Pleite. Fitschen bleibt nun noch ein Jahr im Amt, um John Cryan, den neuen starken Mann, zu unterstützen. 1987 wechselte Fitschen von der Citibank zum größten deutschen Geldhaus. Dort folgten Stationen in Thailand, Japan, Singapur und London. Seit Juni 2012 führt der langjährige Firmenkundenchef den Dax-Konzern gemeinsam mit dem Investmentbanker Anshu Jain. Zudem ist Fitschen Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken.

Anshu Jain (52) verdiente jahrelang als oberster Investmentbanker die Milliarden für die Deutsche Bank. Dass viele der heutigen Probleme des Hauses ihre Wurzeln in der über Jahre von ihm geführten Sparte haben, leugnet der indischstämmige Manager nicht. Jain hat im Vorstand die Verantwortung für Strategie und Organisationsentwicklung. Zum 30. Juni 2015 wird er nun zurücktreten. Nach einer Station bei Merrill Lynch kam Jain 1995 zur Deutschen Bank nach London. Gemeinsam mit seinem Förderer Edson Mitchell machte er das Institut zu einer der führenden Investmentbanken weltweit. TEXT: DPA

John Cryan       -  John Cryan wird neuer Vorstand bei der Deutschen Bank.
Foto: dpa | John Cryan wird neuer Vorstand bei der Deutschen Bank.
 
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