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AUGSBURG
Die blutige Spur der dritten RAF-Generation
«Aktenzeichen XY... ungelöst» - Spur zu RAF-Terroristen       -  Eine nachgestellte Szene des Überfalls auf einen Geldtransporter auf einem Supermarktparkplatz in Stuhr bei Bremen im Juni 2015. Der Fall wurde für die ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY... ungelöst“ rekonstruiert. Nun stellte sich heraus: Es waren wohl seit Jahrzehnten gesuchte RAF-Terroristen.
Foto: Securitel/ZDF/dpa | Eine nachgestellte Szene des Überfalls auf einen Geldtransporter auf einem Supermarktparkplatz in Stuhr bei Bremen im Juni 2015. Der Fall wurde für die ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY...
Von unserem Mitarbeiter Simon Kaminski
 |  aktualisiert: 31.01.2016 03:30 Uhr

Straßensperren, Polizisten mit Maschinenpistolen, abgedeckte Leichen vor zerschossenen Limousinen, die Befreiung der Geiseln aus der Lufthansa-Maschine in Mogadischu, Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer in der Hand der RAF. Die Bilder des eskalierenden Terrors haben sich tief in das Gedächtnis der Deutschen eingebrannt, die diese Zeit miterlebt haben.

Die Gesichter der ersten Generation der RAF mit Andreas Baader, Ulrike Meinhof oder Gudrun Ensslin waren allgegenwärtig – sie starrten jahrelang von Hunderttausenden Fahndungsplakaten herab. Jetzt werden wieder Phantombilder veröffentlicht: Sie zeigen Daniela Klette, Ernst-Volker Wilhelm Staub und Burkhard Garweg. Ihre Gesichter sind kaum bekannt. Sehr wahrscheinlich sind sie verantwortlich für zwei Überfälle auf Geldtransporter im Juni und Dezember 2015. Sie gelten als Mitglieder der dritten Generation der RAF. Dabei handelte es sich nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden insgesamt um rund 20 Männer und Frauen. Viele Details über die Kommandostruktur liegen völlig im Dunkeln. Sicher ist aber, dass die dritte Generation ebenso kaltblütig mordete wie ihre Vorgänger. Dennoch ist wenig über die Täter bekannt. Und: Längst nicht alle wurden gefasst.

Lange bevor Baader, Ensslin und Jan-Carl Raspe sich im Oktober 1977 in der Vollzugsanstalt Stuttgart-Stammheim das Leben nahmen, mordete die Generation Nummer zwei mit Brigitte Mohnhaupt, Peter-Jürgen Boock, Sieglinde Hofmann, Christian Klar und vielen anderen. Doch ihr Ziel, die Gründer der RAF aus der Haft zu pressen, erreichten sie nicht.

Die dritte Generation, die Anfang der 80er Jahre auf dem Radar der Fahnder auftauchte, wollte vieles anders machen: 1982 tauchte das sogenannte „Mai-Papier“ unter dem Titel „Guerilla, Widerstand und antiimperialistische Front“ auf. Der Kampf sollte nun international geführt werden. Man werde Europas „Metropolen erschüttern“, so die düstere Ankündigung. Da hatte die dritte Generation glücklicherweise den Mund zu voll genommen. Und doch: Mitte der 80er Jahre führten die selbst ernannten Revolutionäre zusammen mit den französischen Linksterroristen der Action Directe eng abgestimmte Aktionen durch. Anfang 1985 gab es die ersten beiden Todesopfer: Im Januar wurde ein französischer General von der Action Directe in Paris erschossen, im Februar trafen tödliche RAF-Kugeln in München den Chef des Triebwerkherstellers MTU, Ernst Zimmermann.

Als deutsch-französische Terror-Kooperation gilt auch der Sprengstoffanschlag vom August 1985 auf die Rhein-Main-Airbase der US-Streitkräfte in Frankfurt. Die Bilanz: zwei Tote und 23 Verletzte. Wenige Stunden zuvor wurde ein US-Wachsoldat in Wiesbaden hinterrücks erschossen, nur um an seine Identifizierungskarte für US-Militäreinrichtungen zu gelangen.

Die Fahnder gehen bis heute davon aus, dass Birgit Hogefeld oder Eva Haule die Tat begangen haben – zwei zentrale Figuren der dritten Generation. Im Rückblick gelten die Umstände dieses heimtückischen Verbrechens als Auslöser dafür, dass die RAF in Deutschland den Rückhalt in Teilen der ultralinken Unterstützerszene verlor. Sogar die RAF räumte später mit bezeichnendem Zynismus ein, dass die Aktion ein „politischer Fehler“ gewesen sei.

Doch zwischen dieser „Einsicht“ und der Erklärung der Terroristen vom März 1998, dass die „Stadtguerilla in Form der RAF“ nun Geschichte sei, floss weiter Blut: Im oberbayerischen Straßlach, nahe München, wurde der Siemens-Manager Karl Heinz Beckurts am 9. Juli 1986 durch einen RAF-Bombenanschlag getötet. Auch der mutmaßliche Täter lebt längst nicht mehr – Horst Ludwig Meyer wurde 1999 in Wien von Polizisten erschossen. Zwei Monate später traf es den Spitzendiplomaten Gerold von Braunmühl. Er wurde vor seinem Haus in Bonn erschossen. Wer die beiden Schützen waren, ist bis heute unklar.

Auch die Täter, die am 30. November 1989 den Chef der Deutschen Bank, Alfred Herrhausen, in Bad Homburg mit einer Bombe töteten, wurde nicht ermittelt. Im April 1991 folgte der letzte Mordanschlag der RAF-Geschichte: Es traf den Präsidenten der Treuhandanstalt, Detlev Karsten Rohwedder. Er wurde von einem Scharfschützen erschossen. Auch hier heißt es: Täter nicht ermittelt. Wolfgang Grams, der laut DNA-Analyse am Tatort war, wurde seinerseits am 27. Juni 1993 bei einem GSG-9-Einsatz in Bad Kleinen (Mecklenburg-Vorpommern) erschossen. Der chaotische Zugriff führte dazu, dass Innenminister Rudolf Seiters (CDU) von seinem Posten zurücktrat.

Heute, über 20 Jahre später, zeigt sich, dass Reste der RAF noch aktiv sind – ob als gewöhnliche Kriminelle oder noch immer mit politischem Anspruch. Dass jetzt wieder ermittelt wird, führt auch vor Augen, wie erfolglos die Sicherheitsbehörden bei der Aufklärung der Taten der dritten Generation waren.

Wer sind die drei untergetauchten RAF-Mitglieder?

Daniela Klette Die 1958 in Karlsruhe geborene Daniela Klette wird als Ex-Mitglied der dritten Generation der Rote Armee Fraktion (RAF) steckbrieflich gesucht. Seit 1975 war sie in linksextremistischen Gruppen aktiv. Daniela Klette ging 1989 in den Untergrund, wenige Tage nach dem Attentat auf den Deutsche-Bank-Chef Alfred Herrhausen. Fingerabdrücke und DNA-Spuren bringen sie in Verbindung mit mehreren RAF-Taten. So soll sie beispielsweise beim Schusswaffenangriff auf die US-Botschaft in Bonn während des Golfkrieges 1991 beteiligt gewesen sein. Auch beim spektakulären Sprengstoffanschlag auf den Gefängnisneubau im hessischen Weiterstadt 1993 deutet ein am Tatort gefundenes Haar stark auf eine Beteiligung Klettes hin.

Ernst-Volker Wilhelm Staub Der vom

BKA wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung und schweren Raubes gesuchte Staub wurde 1957 in Hamburg geboren. Sein Studium der Sprach- und Rechtswissenschaften an der Hamburger Universität brach er 1982 ab. Er soll sich in dieser Zeit der RAF angeschlossen haben. 1984 wurde er in Frankfurt verhaftet und 1986 wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zu vier Jahren Gefängnis verurteilt. Nach Verbüßung seiner Haftstrafe schloss er sich wieder der RAF an und tauchte 1990 unter. Staub war wahrscheinlich 1993 am Sprengstoffanschlag von Weiterstadt und 1999 beim Geldtransporter-Überfall in Duisburg beteiligt, denn seine DNA-Spuren wurden an den Tatorten sichergestellt.

Burkhard Garweg wurde 1968 in Bonn geboren. Er ist in Hamburg aufgewachsen, wo er in der links-autonomen Szene aktiv war und zeitweilig in den besetzten Häusern der Hafenstraße in St. Pauli lebte. Dort soll er Staub und Klette kennengelernt haben. 1990 ging Garweg in den Untergrund. Auch er soll dem RAF-„Kommando Katharina Hammerschmidt“ angehört haben, das den Bombenanschlag auf das Gefängnis in Weiterstadt verübte. Die Bilder zeigen Garweg, Staub und Klette von links nach rechts einst und wie sie vermutlich heute aussehen. Foto/Text: dpa

 
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