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BERLIN
Die Bedrohungslage bleibt hoch
Rudi Wais
Rudi Wais
 |  aktualisiert: 17.10.2016 03:49 Uhr

Er kam als Flüchtling – und er sympathisierte mit dem Islamischen Staat. Nachdem die sächsische Polizei offenbar gerade noch rechtzeitig einen Sprengstoffanschlag verhindert und den mutmaßlichen Attentäter Jaber al-Bakr festgenommen hat, diskutiert das politische Berlin nun über die Konsequenzen aus den Ereignissen von Chemnitz. Die CSU ruft bereits nach einer „Totalrevision“ der Flüchtlingsregistrierung.

Erst die Anschläge von Würzburg und Ansbach im Juli, nun ein brisanter Bombenfund: Wie sicher ist Deutschland noch?

Im Fadenkreuz der Islamisten steht die Bundesrepublik schon lange. Im Ministerialendeutsch heißt das: Die Bedrohungslage ist unverändert hoch. Anschläge mit zahlreichen Toten wie in Brüssel, Paris oder Nizza seien auch hierzulande nicht auszuschließen, sagt der Sprecher des Innenministeriums, Johannes Dimroth. Gegenwärtig haben die Behörden etwa 500 sogenannte Gefährder auf ihrem Radar – Fanatiker, denen die Polizei schwere Straftaten bis hin zu einem Terroranschlag zutraut. Gleichzeitig zeigt das Beispiel Chemnitz aber auch, dass Nachrichtendienste und Polizei ein waches Auge auf diese Verdächtigen haben. Sie alle lückenlos zu überwachen ist schlechterdings unmöglich: Um einen Menschen rund um die Uhr zu observieren, sind zwischen 20 und 30 Beamte nötig.

„Das ist schlichtweg nicht machbar“, sagt der CSU-Innenexperte Stephan Mayer.

Jaber al Bakr wurde im Februar 2015 in München als Flüchtling registriert und einen Tag später nach Chemnitz gebracht. Hätten die Dienste nicht früher auf ihn aufmerksam werden müssen?

Das ist im Nachhinein schwer zu beurteilen. Die ersten Hinweise, dass der 22-jährige Syrer einen Anschlag planen könnte, gab es bereits Anfang September – als sie immer konkreter wurden, entschieden sich die Mitarbeiter des gemeinsamen Terrorabwehrzentrums von Bund und Ländern am Freitag, die Polizei zu alarmieren. Um Extremisten noch früher zu erkennen, sollen nach dem Willen von CSU-Mann Mayer künftig auch der Verfassungsschutz und der Bundesnachrichtendienst mit am Tisch sitzen, wenn Flüchtlinge überprüft und befragt werden. Seine SPD-Kollegin Gabriele Fograscher hält das für übertrieben. Zum einen seien die Dienste teilweise schon bei den Gesprächen in den Unterkünften dabei, sagt die Bundestagsabgeordnete. Zum anderen gebe es auch immer wieder Tipps von anderen Flüchtlingen. Im aktuellen Fall kam der Hinweis auf al-Bakr angeblich von einem ausländischen Dienst.

Innenminister Thomas de Maiziere will die sogenannten Gefährder in Zukunft schon wegsperren, ehe sie sich überhaupt Sprengstoff beschaffen und Bomben basteln können. Wird dieser Plan je Gesetz?

Danach sieht es nicht aus. De Maiziere will das Strafrecht um eine Art Schutzhaft erweitern – bei Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung könnten einschlägig Verdächtige wie Jaber al-Bakr damit auch vorsorglich inhaftiert werden. Die SPD lehnt das allerdings strikt ab. „Gefährder rein präventiv in Haft zu nehmen, ist rechtsstaatlich problematisch“, kritisiert die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Eva Högl in der „Saarbrücker Zeitung“. Sie schlägt vor, das Risiko eines Anschlages lieber mit mehr Personal und mit einem Ausbau der akustischen Überwachung zu minimieren.

Die Geheimdienste sind durch den NSU-Skandal und die NSA-Affäre schwer in Verruf geraten. Sind sie womöglich besser als ihr Ruf?

„Sie sind wachsam und sie arbeiten gut zusammen“, sagt die Abgeordnete Fograscher, die für die Sozialdemokraten im streng geheim tagenden parlamentarischen Kontrollgremium sitzt, das den Diensten auf die Finger sieht. In der Union allerdings häufen sich die Stimmen, die die Befugnisse der Dienste noch ausweiten und zusätzliches Personal einstellen wollen.

Im Moment, klagt Fraktionsvize Michael Kretschmer, hätten der Verfassungsschutz oder der Bundesnachrichtendienst keinen Zugriff auf die Daten, die das Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge von Asylbewerbern speichert. „Das muss sich ändern.“ CSU-Chef Horst Seehofer spricht nur ganz allgemein von einer lückenlosen Überprüfung aller Flüchtlinge – „auch unter Einbeziehung unserer Nachrichtendienste“. Noch einen Schritt weiter geht der Bund Deutscher Kriminalbeamter: Er fordert neben einem besseren Informationsaustausch zwischen den einzelnen EU-Ländern auch den Aufbau eines europäischen FBI, das grenzüberschreitend ermittelt.

Wie aussagefähig sind die Nürnberger Daten eigentlich? Tausende von Flüchtlingen sind ja mit

gefälschten Pässen gekommen.

Angeblich wurden dem Bundesamt alleine im ersten Halbjahr 2016 mehr als 2000 gefälschte Pässe untergejubelt. In Zukunft sollen die Mitarbeiter der Behörde in solchen Fällen sofort Anzeige bei der Polizei erstatten. Bisher haben sie lediglich die Ausländerbehörden der jeweiligen Bundesländer informiert.

 
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