Als strahlende „Lady in Pink“ eroberte die alte und neue Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer die Saarbrücker Messehalle am Sonntagabend. Schon die erste Hochrechnung rechtfertigte den rosaroten Blazer. Das erwartete Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen der CDU-Politikerin und dem „ewigen Herausforderer“ Heiko Maas (SPD) war ausgefallen. „AKK“, so wird sie von den Saarländern genannt, tanzte und jubelte mit ihren Anhängern. Maas blickte desillusioniert in die Kameras – wie schon 2009 und 2004 bei seinen vergeblichen Versuchen, der Union die Macht zu entreißen.
Wie hatte die 49-jährige Rechts- und Politikwissenschaftlerin es geschafft, die SPD derart deutlich auf Distanz zu halten? Außerhalb des kleinen Flächenlandes im Westen Deutschlands war sie bis zum im Januar 2011 angekündigten Rückzug von Landesvater Peter Müller kaum bekannt. Im überschaubaren Kosmos an der Saar legte sie jedoch einen Blitzstart hin: 1999 zog sie in den Landtag ein, um im selben Jahr noch als Parlamentarische Geschäftsführerin der CDU-Fraktion zu reüssieren. Schon 2000 wurde sie als jüngste Innenministerin der Republik vereidigt. Von 2004 an leitete sie das Bildungsministerium, ab 2007 erlebte sie den Start der Jamaika-Fraktion als Arbeitsministerin. Fast folgerichtig wurde sie – wenn auch erst im zweiten Wahlgang – am 10. August 2011 im Landtag zur Ministerpräsidentin gewählt. Eine erstaunliche Karriere. Doch aus der Schublade „kompetent, aber kaum Charisma“ kam sie vorerst nicht hinaus. Allerdings kam der gebürtigen Völklingerin zugute, dass Politiker dieser Art nach den Münchhausiaden eines Theodor zu Guttenbergs plötzlich im Trend liegen. Galt nicht auch der heutige baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) als profillos und spröde? Und heute? Unaufgeregt, sachlich, wenn möglich mit einem Schuss trockenem Humor – das zieht.
Eigenschaften, die auch Annegret Kramp-Karrenbauer auszeichnen. Doch dann kam das Unerwartete. Schluss mit Jamaika – das verkündete AKK Knall auf Fall am 6. Januar. Sie könne die Personalquerelen der FDP nicht mehr mittragen, fügte sie hinzu. „Harakiri“, dachten nicht wenige Parteifreunde. Doch seit Sonntag weiß man, der Coup ist geglückt. Es scheint so, dass viele Saarländer ihr abgenommen haben, dass sie aus Sorge um die Zukunft des Bundeslandes gehandelt hat. Noch in der Messehalle tröstete sie den ihr vorbestimmten Partner Maas. Dann wurde gefeiert. Wenn alles gut geht, hat AKK nun fünf weitere Jahre Zeit, den Deutschen zu erklären, warum das kleine, hoch verschuldete Saarland eigenständig bleiben soll. Mit „Think Pink“ alleine dürfte das nicht gelingen.
Kritische Punkte bei Koalitionsgesprächen an der Saar
CDU und SPD steuern nach der Landtagswahl im Saarland auf eine Große Koalition zu. Das sind voraussichtlich die kritischen Punkte bei den Verhandlungen:
Arbeitsmarkt- und Tarifpolitik: Die SPD strebt einen gesetzlich fixierten Mindestlohn an, während die CDU die Festlegung einer Lohnuntergrenze den Tarifparteien überlassen will. Hier geht es darum, wie sich das Saarland künftig bei Abstimmungen im Bundesrat verhält. Die SPD fordert ein strengeres Tariftreuegesetz, das regelt, dass öffentliche Aufträge nur an Firmen mit Bezahlung der Mitarbeiter nach Tarif vergeben werden.
Sparkurs: Beide Parteien wollen kräftig sparen, um die vereinbarte Schuldenbremse einzuhalten und langfristig die Eigenständigkeit des Saarlands zu sichern. Das Land ist mit weit über 12 Milliarden Euro verschuldet und muss pro Jahr bis 2020 die Netto-Neuverschuldung um 60 bis 80 Millionen Euro im Jahr zurückfahren. Den Rotstift wollen CDU und SPD, mit Heiko Maas an der Spitze (Bild), nach bisherigen Plänen bei Ministerien und Behörden ansetzen. Nach Ansicht der CDU werden bis 2020 rund 10 Prozent der Stellen im öffentlichen Dienst wegfallen. Die SPD will sich erst nach Gesprächen mit den Arbeitnehmervertretern auf eine Zahl festlegen.
Wirtschaftspolitik: Die CDU baut auf ein weiter hohes Wirtschaftswachstum und damit hohe Steuereinnahmen. Die SPD möchte neuen Schwung in die Technologiepolitik bringen und die Forschung stärken. Bildungspolitik: Die Einführung einer Gemeinschaftsschule hat die Jamaika-Koalition im vergangenen Jahr – mit Hilfe der Linkspartei – bereits beschlossen. Jetzt geht es darum, welche Schulform künftig wie viel der knappen Mittel bekommen soll. Die CDU will ein starkes Gymnasium erhalten, die SPD will die Gemeinschaftsschule durch eine bessere Ausstattung mit Lehrern und kleineren Klassen stärken. Text und FOTO: dpa