Nach dem Rücktritt des CIA-Chefs David Petraeus kommt die US-Hauptstadt Washington nicht zur Ruhe. In der Nacht auf Dienstag sorgte die Bundespolizei FBI für Aufsehen, die das Haus seiner ehemaligen Geliebten filzte. Eigentlich galten die Untersuchungen gegen Paula Broadwell als abgeschlossen. Wenige Stunden später sickerte aber durch, dass die Affäre um Sex, E-Mails und möglichen Geheimnisverrat nun nicht mehr einen, sondern gleich zwei der höchstdekorierten US-Generäle betrifft. Tausende E-Mails mit „potenziell unangemessener Kommunikation“ soll Vier-Sterne-Kommandeur John Allen mit Jill Kelley ausgetauscht haben, einer engen Freundin der Familie Petraeus, die mit dem Sturz des CIA-Chefs in Verbindung gebracht wird. Alle Beteiligten sind verheiratet und haben Kinder.
General Allen führt derzeit die 68 000 verbliebenen US-Soldaten in Afghanistan, ein Kommando, das er von Petraeus übernommen hat. Der 58-Jährige ist im Oktober von Präsident Barack Obama zum Oberkommandierenden der NATO nominiert werden, Anfang kommenden Jahres sollte er in sein Amt eingeführt werden. Verteidigungsminister Leon Panetta hat die für Donnerstag geplante Anhörung nun erst einmal verschoben, bei der der Senat der Personalie hätte zustimmen sollen. Seinen Aufgaben in Afghanistan wird Allen bis zur Klärung der Vorwürfe nachkommen.
Ein Bauernopfer?
Kongressmitglieder beider Parteien verliehen ihrer Verwunderung Ausdruck, dass Präsident Barack Obama und die Geheimdienstausschüsse von der Affäre Petraeus erst am Freitag informiert wurden, obwohl das FBI schon seit dem Sommer ermittelt. Die demokratische Vorsitzende des Geheimdienstausschusses im Senat, Dianne Feinstein, klagte, die CIA halte einen Bericht über eine Reise von Petraeus nach Libyen zurück, der möglicherweise Aufschluss über den Angriff auf das US-Konsulat im September geben könnte. „Das ist inakzeptabel“, sagte sie dem TV-Sender MSNBC am Montag.
Konservative Kreise glauben ohnehin, Petraeus' Demission sei ein Bauernopfer, um ein Versagen der Regierung im Umgang mit „Bengasigate“ zu kaschieren. Petraeus hätte diese Woche vor einem Untersuchungsausschuss dazu aussagen sollen. Die US-Regierung hatte nach der Attacke im September mehrere Tage an ihrer Vermutung festgehalten, der Sturm auf die Botschaft sei Teil der Demonstrationen gegen das damals kursierende Mohammed-Video gewesen. Kritiker glauben, dass CIA und Weißes Haus schon früher wussten, dass es sich um einen Angriff bewaffneter Terroristen handelte, die Information aber unter dem Teppich hielten.
Ein jetzt bekannt gewordenes Video zeigt Broadwell an der Universität von Denver, wo sie in einer Ansprache behauptete, die CIA habe in Bengasi ein geheimes Gefängnis unterhalten. Das dementiert die CIA scharf. Trotzdem sorgen solche Berichte für bohrende Fragen, ob zwischen Petraeus und Broadwell nicht doch geheime Informationen geflossen sein könnten – das FBI will darauf bislang keine Hinweise haben.
Petraeus hat sich auf die Affäre mit seiner attraktiven Biografin wohl im Herbst 2011 eingelassen, etwa zwei Monate, nachdem er aus dem aktiven Militärdienst ausgeschieden war und das Kommando der CIA übernommen hatte. Die Beziehung flog auf, als sich in Florida eine 37-Jährige über anonyme Drohmails in ihrem Postfach wunderte: Jill Kelley leistet in der Region Tampa auf freiwilliger Basis Sozialarbeit für Militärangehörige. Im Sommer 2012 wandte sie sich an einen Bekannten, der beim FBI arbeitet. Die Polizei verfolgte die Schreiben zurück zu Broadwell und entdeckte dabei deren Korrespondenz mit Petraeus. Angeblich betrachtete Broadwell Kelley als Rivalin. Ihre Beziehung zu Petraeus soll vor vier Monaten zu Ende gegangen sein.
Der FBI-Agent, der die Ermittlungen angestoßen hat, betätigte sich im Kongress sogar als Tippgeber, um das Prozedere zu beschleunigen. Am Dienstag berichtete das „Wall Street Journal“ allerdings, das FBI haben den Mann bereits zu einem frühen Zeitpunkt von dem Fall abgezogen – er soll Kelley Bilder geschickt haben, auf denen er mit nacktem Oberkörper zu sehen ist.
Das derzeit größte Mysterium ist Kelleys Beziehung zu General John Allen. Zwischen 20 000 und 30 000 Seiten ihrer Korrespondenz soll das Pentagon jetzt an den Kongress übergeben haben, die Ermittlungen gegen Allen hatte Verteidigungsminister Leon Panetta eingeleitet. Nicht nur Broadwells Vater glaubt, dass hinter den Affären mehr steckt als persönliches Versagen. „Hier geht es um etwas ganz anderes“, sagte Paul Krantz der „New York Daily News“, „und die Wahrheit wird herauskommen.“ Und auch die demokratische Vorsitzende des Geheimdienstausschusses im Senat wunderte sich im Sender NBC: „Irgendwo gab es eine Entscheidung, uns nicht zu unterrichten“, klagte Dianne Feinstein. „Ich weiß nicht, wer diese Entscheidung getroffen hat.“