Es waren Szenen einer Apokalypse, die Stephen Bannon im Juni 2014 im Vatikan skizzierte. Bannon führte damals noch das ultrarechte Nachrichtenportal „Breitbart News“ mit Sitz in Los Angeles. Über Skype war der heutige Chefberater von US-Präsident Donald Trump aus den USA in den Palazzo der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften in den vatikanischen Gärten zugeschaltet. Die Besucher blickten auf eine Leinwand, auf die das überdimensional große und durch die Übertragung leicht orange gefärbte Gesicht des „Breitbart“-Chefs projiziert wurde.
Bannon sollte eigentlich über das Verhältnis zwischen Armut, Kapitalismus und Christentum referieren. Stattdessen präsentierte er im Schatten des Petersdoms eine Endzeit-Vision. Der Westen stehe „am Beginn eines sehr brutalen und blutigen Konflikts“ gegen den „dschihadistisch-islamischen Faschismus“, erklärte er. Eine „sehr sehr sehr aggressive Haltung“ sei gegen den radikalen Islam und zur Verteidigung der jüdisch-christlichen Kultur notwendig. Säkularisierung und Islam, so suggerierte Bannon, seien die größten Bedrohungen der Gegenwart. Diese finsteren Gedanken garnierte er mit Überlegungen über einen „erleuchteten Kapitalismus“. Das Nachrichtenportal buzzfeed.com hat ein Protokoll seines Vortrags von 2014 im Internet veröffentlicht.
Bannon gab zu verstehen, dass die katholische Kirche und die Werte, die sie seiner Vorstellung nach verkörpert, auch heutzutage als ideologisches Bollwerk gegen den Islam dienen sollten. Es sei an der Zeit, für den eigenen Glauben und „für unsere Überzeugungen und gegen die beginnende neue Barbarei zu kämpfen“. Heute, nur zweieinhalb Jahre später, sitzt der Mann im Weißen Haus in Washington. Als Chefstratege des US-Präsidenten ist Bannon an allen wichtigen Entscheidungen Trumps beteiligt. Manche halten ihn gar für den eigentlichen Machthaber in Washington. Der 63-Jährige hat zudem beste Kontakte in den Vatikan.
In seiner ideologischen Schlacht gegen den Islam und für die christliche Tradition kann er in Rom auf illustre Verbündete zählen, die den innerkirchlichen Widerstand gegen Papst Franziskus anführen – allen voran US-Kardinal Raymond Leo Burke. Bereits zwei Monate vor seinem beunruhigenden Vortrag in der Papst-Akademie war der Katholik Stephen Bannon nach Rom gereist. Im April 2014 berichtete er für „Breitbart News“ von der Heiligsprechung Johannes Paul II. und knüpfte Kontakte. Und wie es scheint, war die Begegnung mit Kardinal Raymond Leo Burke jene, die auf ihn offenbar die größte Wirkung hatte.
Miteinander bekannt gemacht hatte die beiden der Engländer Benjamin Harnwell, Gründer des Instituts „Dignitatis Humanae“, das zwei Monate später den Vatikankongress veranstaltete. Laut Harnwell blieben Bannon und Burke in Kontakt.
Der „New York Times“ sagte der konservative Netzwerker, beide seien prinzipientreue Männer, die ähnliche „Schlachten auf kulturellem Gebiet“ schlagen. „Ich bin nicht überrascht, dass sich da zwei Herzen treffen“, zitierte ihn die Zeitung. Auf Nachfrage, ob Bannon und Burke eine strategische Allianz geschlossen haben, erwiderte Harnwell allerdings jetzt: „Allianz ist das falsche Wort. Es handelt sich einfach um zwei Personen, die sich und ihre Arbeit gegenseitig bewundern.“
Die Übereinstimmung der beiden katholischen Amerikaner überrascht nicht, gerade wenn man Burkes Rolle im Vatikan bedenkt. Unter Benedikt XVI. war er ein aufsteigender Erzbischof und Kirchenrechtler, dem der deutsche Papst 2008 die Leitung des Obersten Vatikangerichts anvertraute. 2010 machte er ihn zum Kardinal, der heute 68-Jährige hatte auch bei vielen Bischofsernennungen seine Hand im Spiel.
Burke zählt zum konservativsten Flügel in der katholischen Kirche: Er kämpft kompromisslos gegen Abtreibung, gegen die Homo-Ehe und für traditionelle christliche Werte wie die Unauflöslichkeit der Ehe. Wenn „fundamentalistisch“ bedeute, die Werte der katholischen Kirche hochzuhalten, sei er mit dieser Charakterisierung einverstanden, sagte Burke einmal.
Mit seiner öffentlichen Kritik an Papst Franziskus manövrierte sich der „Fundamentalist“ dann Schritt für Schritt ins Abseits. Franziskus enthob Burke seiner wichtigsten Funktionen im Vatikan und schob ihn im November 2014 als Kardinalpatron zum Malteserorden ab. Aber auch da zettelte der Kardinal eine Revolte an. Höhepunkt seiner öffentlichen Kritik an Franziskus war jüngst die Veröffentlichung eines Briefes mit fünf „Zweifeln“ am Lehramt des Papstes, den unter anderem auch der ehemalige Kölner Erzbischof Joachim Meisner und der deutsche Kurienkardinal und ehemalige Augsburger Kirchenhistoriker Walter Brandmüller unterschrieben.
In ihrer Weltsicht sind sich Burke, der Anführer des Widerstands gegen den Papst, und Bannon, der Chefberater des US-Präsidenten, einig. Auch Burke hält den Islam für eine Bedrohung. „Es ist klar, dass die Muslime letztendlich die Herrschaft über die Welt erobern wollen“, sagte der Kardinal vor kurzem, im Oktober vergangenen Jahres, der italienischen Zeitung „Il Giornale“.
Während Burke in der katholischen Kirche einen Kampf um die Wiederherstellung einer orthodoxen christlichen Moral ausficht, dessen ideologische Grundlagen Bannon teilt, kann Bannon über Trump die Weltpolitik in seinem und auch in Burkes Sinne beeinflussen. Das richterlich gekippte Einreiseverbot für Bürger aus sieben muslimischen Staaten in die USA etwa soll auf Bannon zurückgehen. Christliche Traditionalisten in Rom und anderswo legen große Hoffnungen in die neue US-Regierung. Die Aussichten für Abtreibungsgegner waren nie so gut wie heute, heißt es im Vatikan. In diesen traditionalistischen Kreisen gilt Burke nicht als reaktionärer Außenseiter, sondern als Identifikationsfigur und Held.
Die ideologische Allianz zwischen dem Kardinal und dem Chefstrategen des US-Präsidenten erstreckt sich auch auf weite Teile von Trumps Beraterstab. Rechtskonservative Christen finden sich im Weißen Haus zuhauf. Mike Pence ist ein evangelikaler Christ, der als erster US-Vizepräsident beim „Marsch für das Leben“ in Washington sprach, einer Demonstration militanter Abtreibungsgegner. Auch Trumps Beraterin Kellyanne Conway, eine bekennende Katholikin, trat bei der Veranstaltung auf. Pressesprecher Sean Spicer ist ebenfalls Katholik und Anhänger der Pro-Life-Bewegung in den USA.
Der von Trump nominierte CIA-Direktor Mike Pompeo, Chef des US-Auslandsgeheimdienstes, behauptete vor zwei Jahren etwa, die Muslime seien davon überzeugt, dass Christen aus der Welt verschwinden müssten. Stattdessen sollten Christen die Idee verbreiten, Jesus Christus sei in Wirklichkeit „die einzige Lösung für unsere Welt“. Die Nuancen in den Vorstellungen der engsten Mitarbeiter des US-Präsidenten variieren. Die Stoßrichtung gegen den Islam aber ist kaum von der Hand zu weisen.
Diese Haltung deckt sich auch mit den Vorstellungen vieler rechtspopulistischer Parteien in Europa. Als Chef von „Breitbart News“ knüpfte Bannon enge Kontakte zur britischen Independence Party (UKIP), aber auch zum französischen Front National. Wie es scheint, ist auch der Kardinal auf diesem Gebiet nicht untätig. Italienische Zeitungen berichteten, Burke habe erst vor Tagen Matteo Salvini, den Chef der italienischen Lega Nord, zu einem Gespräch in seine Wohnung in Vatikannähe eingeladen. Salvini fiel in der Vergangenheit nicht nur durch fremdenfeindliche Sprüche auf. Er kritisierte mehrfach Papst Franziskus wegen dessen vermeintlich laxer Haltung zu Flüchtlingen. Bei einem Parteikongress posierte Salvini mit einem T-Shirt mit der Aufschrift „Mein Papst ist Benedikt“.
Die Schnittmengen zwischen US-Regierung, dem internationalen Rechtspopulismus und der Opposition gegen Franziskus sind erheblich. Der Papst taugt dabei aber nur zum Teil als Feindbild der Ultrarechten. Auch Franziskus lässt kaum eine Gelegenheit aus, Abtreibung zu verurteilen. Der größte Kontrast zur US-Regierung besteht in den Vorstellungen zum Umgang mit Flüchtlingen. Donald Trumps Forderung nach einem Mauerbau an der Grenze zwischen USA und Mexiko brandmarkte der Papst als „nicht christlich“. Jetzt sagt er über den US-Präsidenten: „Wir werden sehen.“
Ende Mai könnte es zur ersten Begegnung zwischen dem US-Präsidenten und Franziskus kommen. Trump wird dann zum G7-Gipfel nach Taormina auf Sizilien reisen, seine Vorgänger machten bei diesen Gelegenheiten einen Abstecher in den Vatikan. Wie es heißt, laufen die Drähte von Stephen Bannon in den Vatikan wieder besonders heiß.