
Sigmar Gabriel klopfte sich selber kräftig auf die Schulter. Zum ersten Male in der Geschichte der Bundesrepublik lege die Regierung ihren Rüstungsexportbericht bereits vor der Sommerpause vor. Früher als jemals zuvor werde die Öffentlichkeit damit über die erteilten Exportgenehmigungen für konventionelle Rüstungsgüter und Ausfuhren von Kriegswaffen des Vorjahres informiert, ließ der Wirtschaftsminister am Mittwoch in Berlin verkünden. „Die Zeitspanne zwischen den Genehmigungen und der Vorlage des Berichts wird damit erheblich verkürzt.“ Dies sei ein „wesentlicher Schritt hin zu mehr Transparenz in der Rüstungsexportpolitik der Bundesregierung“.
Aber damit nicht genug. Künftig werde sein Ministerium den Bundestag „zeitnah nach den Sitzungen des Bundessicherheitsrates“ über die dort genehmigten Rüstungsexporte informieren, versprach er. Auch dies sei ein Beitrag für „mehr Transparenz“.
Persönlich vorstellen wollte der Wirtschaftsminister den Bericht allerdings nicht. Eine bereits angesetzte Pressekonferenz sagte er kurzfristig ab, in der Kabinettssitzung ließ er sich von seinem Staatssekretär vertreten. Es wirkte wie eine Flucht vor heiklen Nachfragen. Denn ausgerechnet der Sozialdemokrat, der im Bundestagswahlkampf im vergangenen Jahr noch eine deutliche Verringerung der deutschen Rüstungsexporte in Länder außerhalb der EU und der Nato sowie striktere Regeln und strengere Maßstäbe bei Ausfuhren in Krisengebiete gefordert hatte, musste in seinem ersten Bericht eine deutliche Zunahme der Waffengeschäfte verkünden.
So stieg das Volumen aller erteilten Einzelgenehmigungen im Jahr 2013 im Vergleich zum Vorjahr um 1,1 Milliarden Euro auf den neuen Höchstwert von 5,846 Milliarden Euro, der Anteil der sogenannten Drittländer, also der Nicht-EU- oder Nato-Partner, lag dabei bei 62 Prozent, das waren sieben Punkte mehr als im Jahr zuvor. Die tatsächlichen Kriegswaffenexporte gingen leicht auf 933 Millionen zurück, 2012 waren es noch 946 Millionen. 71 Anträge mit einem Volumen von zehn Millionen Euro wurden abgelehnt.
Ausdrücklich wies Sigmar Gabriel darauf hin, dass er diese Zahlen nicht zu verantworten habe. „Der Bericht umfasst einen Zeitraum, bevor die jetzige Regierung ihre Tätigkeit aufnahm.“
Hauptgrund für den starken Anstieg der Exporte war nach Angaben des Berichts die starke Zunahme der Verkäufe an Algerien, Katar, Saudi-Arabien und Indonesien, die auf den Plätzen eins, zwei, vier und fünf der Ausfuhrliste stehen – Länder, die wegen Menschenrechtsverletzungen in der Kritik stehen. Zwischen ihnen lagen auf dem dritten Platz die USA. So deckte sich Algerien unter anderem mit Transportpanzern und Geländewagen ein, Katar war an einem Flug- und einem Panzersimulator sowie Feuerleiteinrichtungen interessiert, Saudi-Arabien an Luftaufklärungssystemen und Teilen für Kampfflugzeuge und Hubschrauber sowie gepanzerte Fahrzeuge. Indonesien schließlich kaufte neben Kampf- und Schützenpanzern auch Feuerleiteinrichtungen. Bei den Ausfuhren lagen die militärischen Ketten- und Radfahrzeuge mit einem Volumen von 2,3 Milliarden Euro an erster Stelle, mit weitem Abstand folgten die militärische Elektronik (424 Millionen Euro) sowie Bomben, Tornados und Flugkörper (349 Millionen Euro). Stefan Kapferer, der FDP-Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, kündigte an, dass die Rüstungsexporte künftig „restriktiver gehandhabt“ werden sollen.
Die Opposition sowie Organisationen der Friedensbewegung kritisierten die Zunahme der Rüstungsexporte scharf. „Die humanitäre Rhetorik von Frieden, Freiheit und Sicherheit wird durch die Rüstungspolitik der Bundesregierung konterkariert“, bemängelte der Geschäftsführer der ökumenischen Initiative „Ohne Rüstung Leben“, Paul Russmann.