Luigi Di Maio trat am Montagmittag strahlend vor die Fernsehkameras. Der 31-jährige Spitzenkandidat der Fünf-Sterne-Bewegung ist das vertrauenserweckende Gesicht des italienischen Populismus. „Wir sind eine politische Kraft, die eine ganze Nation repräsentiert“, sagte Di Maio nach dem Sieg seiner Partei bei den Wahlen vom Sonntag staatsmännisch. Die Fünf-Sterne-Bewegung erzielte rund 32 Prozent der Stimmen und ist künftig unangefochten stärkste Kraft im Parlament.
Di Maio hatte sich im vergangenen September per Online-Votum zum Chef der Protestpartei küren lassen. Der Schachzug markierte eine Stabübergabe vom cholerischen und unberechenbaren Gründer der Bewegung, Beppe Grillo, hin zu einer modernen Führungsfigur, die nun den schwierigsten Schritt für die „Grillini“ bewerkstelligen muss. Wenn er wirklich Regierungschef werden will, muss Di Maio einen Koalitionspartner finden. Für eine Partei, die sich als Antithese zu sämtlichen anderen politischen Kräften präsentiert und Bündnisse bislang kategorisch ausschloss, wird diese Suche kein Spaziergang.
Di Maio ist mit 31 Jahren nicht nur sehr jung für einen Spitzenpolitiker, er stammt auch aus dem italienischen Süden und repräsentiert damit viele junge Süditaliener, die die Perspektivlosigkeit in ihrer Heimat beklagen. Der Versuch der Konkurrenz, die Inkompetenz Di Maios und seiner Partei im Wahlkampf herauszuheben, verfing bei den Wählern nicht. Der 1986 in der Industriestadt Pomigliano D'Arco bei Neapel zur Welt gekommene Spitzenkandidat blamierte sich mehrfach, weil ihm beispielsweise grammatikalische Fehler unterliefen oder er den chilenischen Diktator Augusto Pinochet in Venezuela verortete. Inzwischen ist Di Maio immer mehr in die Rolle der staatstragenden Persönlichkeit hineingewachsen. Ob auch die von ihm geführte Bewegung Staat machen kann, muss sich erst noch zeigen.
Fünf Jahre lang hat Di Maio als stellvertretender Parlamentspräsident in der vergangenen Legislatur politische Erfahrung gesammelt. Das Wahlergebnis fordert von dem zweifachen Studienabbrecher und ehemaligen Webmaster nun eine Reifeprüfung in Realpolitik. „Wir sind bereit, uns mit allen politischen Kräften zu konfrontieren“, sagte Di Maio am Montag.
Zwei potenzielle Partner sind denkbar. Da ist zum einen die fremdenfeindliche Lega, die 18 Prozent der Stimmen erreichte. Deren Chef Matteo Salvini bekundete am Montag aber seine Treue zum Mitte-Rechts-Lager, das keine Mehrheit für die Regierungsbildung erzielte. Ein zweiter potenzieller Partner wäre die Demokratische Partei von Ministerpräsident Paolo Gentiloni und Parteichef Matteo Renzi, die nur auf rund 19 Prozent der Stimmen kam und die schwerste Schlappe einstecken musste. Wenn es zu keinem Bündnis kommen sollte, wären Neuwahlen unausweichlich.
Um der Fünf-Sterne-Bewegung auch im europäischen Ausland ihr verstörendes und im Komiker Beppe Grillo personifiziertes Antlitz zu nehmen, präsentierte sich Di Maio vor Monaten bereits zahlreichen Vertretern von EU-Regierungen. Sogar in der Finanzwelt der Londoner City schlug der Süditaliener auf, der im Gegensatz zu vielen Parteifreunden stets im feinen Anzug gekleidet ist.
Vom noch vor Monaten erwogenen Referendum über einen Euro-Austritt Italiens war im Wahlkampf keine Rede mehr, man will die EU-Regeln in Brüssel ändern, heißt es aus der Bewegung. Überdies haben Di Maio und seine Mitstreiter klar zu erkennen gegeben, welche Hauptforderungen mit den Fünf Sternen an der Regierung verwirklicht werden sollen: vor allem die Einführung eines Bürgergehalts von mindestens 780 Euro monatlich, Steuersenkungen und einen Stopp bei der Zuwanderung.
Traditionell hat die Grillo-Bewegung ein eher linkes Profil. Di Maio schimpfte in der Vergangenheit aber zum Beispiel über die „Mittelmeer-Taxis“. Damit kritisierte er die Arbeit der NGOs, die im Mittelmeer Flüchtlinge aufnehmen und sammelte offenbar Konsens.
Die Geschichte der Fünf-Sterne-Bewegung ist reich an Metamorphosen. Will er ganz oben ankommen, muss Luigi Di Maio nun die größte Verwandlung der Fünf-Sterne-Bewegung bewerkstelligen und sie von einer Protest- in eine Regierungspartei umformen.