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Der Vorbote eines Wechsels?
Die Kür eines Bundespräsidenten war stets auch eine politische Richtungsentscheidung. Doch die fest gefügten Lager haben sich mit der Nominierung von Joachim Gauck aufgelöst.
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Von unserem Berliner Korrespondenten Martin Ferber
 |  aktualisiert: 11.12.2019 15:51 Uhr

Der alte Herr wusste genau, was er wollte: Die ganze Macht – für sich alleine. Knapp nur hatten CDU und CSU die erste Bundestagswahl im August 1949 vor der SPD gewonnen, viele in der Union plädierten für eine Große Koalition mit der SPD. Doch Konrad Adenauer strebte eine „kleine“ Koalition mit der FDP an. Bei einem Kaffeekränzchen am 21. August 1949 in seiner Privatwohnung in Rhöndorf bei Bonn stellte er im engsten Kreis die Weichen. Er selber, eröffnete er den verblüfften Parteifreunden, wolle Bundeskanzler werden, die FDP als zweitstärkste Partei solle das Staatsoberhaupt stellen. „Ich schlage deshalb Professor Heuss als Bundespräsident vor.“ Auf die Frage, ob Heuss „von seinem Glück“ schon wisse, gab Adenauer zu: „Bis jetzt noch nicht.“

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Doch der Coup von Adenauer ging auf. Die Wahl von Theodor Heuss zum Bundespräsidenten, ein Glücksgriff für die gerade erst entstehende Republik, band die FDP fest an die Seite der Union, die sich damit für 20 Jahre die Macht sicherte. Als Heuss nach zehn Jahren aus dem Amt ausschied, war die in Bonn mittlerweile alleine regierende CDU so stark, dass sie problemlos mit Landwirtschaftsminister Heinrich Lübke einen der Ihren zum Nachfolger wählen konnte. Fünf Jahre später, 1964, trug die oppositionelle SPD seine Wiederwahl mit – und ebnete damit den Weg an die Macht. 1966 kam es zur Großen Koalition.

Die Wahl eines Bundespräsidenten war in der Geschichte der Bundesrepublik schon immer mehr als eine bloße Persönlichkeitswahl, sie war jedes Mal aufs Neue auch eine Richtungswahl. Sie gab Aufschluss über das politische Kräfteverhältnis und reagierte einem Seismografen gleich auf Veränderungen im Machtgefüge. Und stets setzte die jeweilige Mehrheit ihren Kandidaten durch. Konsens war selten. Nie wurde dies deutlicher als 1969. In Bonn regierte – noch – die Große Koalition unter Kurt Georg Kiesinger (CDU) und Willy Brandt (SPD), als Lübke aus Alters- und Gesundheitsgründen zum 30. Juni vorzeitig aus dem Amt ausschied. Bei der bislang spannendsten und engsten Wahl eines Präsidenten setzte sich im dritten Wahlgang der Sozialdemokrat Gustav Heinemann mit Unterstützung der FDP mit sechs Stimmen Vorsprung gegen Verteidigungsminister Gerhard Schröder von der CDU durch – Vorbote der sozialliberalen Koalition, die SPD und FDP nach den Bundestagswahlen im Herbst schmiedeten. Heinemann selber nannte seine Wahl ganz bewusst mit Blick auf die neuen Mehrheitsverhältnisse „ein Stück Machtwechsel“. 1974 regierte die SPD-FDP-Koalition so souverän, dass Walter Scheel bereits im ersten Wahlgang zum Staatsoberhaupt gekürt wurde.

Doch die Machtverhältnisse im Bund und den Ländern änderten sich. 1979 hatten CDU und CSU in der Bundesversammlung die Mehrheit zurückgewonnen und nutzten diese, um ihren Kandidaten Karl Carstens durchzusetzen, obwohl der beim Volk ungemein beliebte Walter Scheel gerne für eine zweite Amtszeit angetreten wäre – erneuter Vorbote einer Wende. Drei Jahre später zerbrach die sozialliberale Koalition in Bonn, es folgte die 16-jährige Kanzlerschaft Helmut Kohls mit den CDU-Präsidenten Richard von Weizsäcker (1984 bis 1994) und Roman Herzog (1994 bis 1999).

Den Aufstieg und das schnelle Ende der rot-grünen Koalition schließlich belegten die Präsidentenwahlen 1999 und 2004. Wenige Monate nachdem Gerhard Schröder Bundeskanzler geworden war, wählten SPD und Grüne den Sozialdemokraten Johannes Rau ins höchste Amt des Staates, fünf Jahre später nutzten CDU, CSU und FDP ihre erneute Mehrheit, um Horst Köhler zu küren. Das von Angela Merkel, Edmund Stoiber und Guido Westerwelle erhoffte Signal für einen erneuten Machtwechsel war dies allerdings nicht. Bei der vorgezogenen Bundestagswahl 2005 reichte es nicht für eine Neuauflage von Schwarz-Gelb. Stattdessen kam es zur Großen Koalition. Fünf Jahre später war es dann doch so weit: Erst setzten CDU, CSU und FDP (mit Unterstützung der Freien Wähler) im Mai 2009 die Wiederwahl ihres Präsidenten Horst Köhler im ersten Wahlgang durch, dann eroberten sie bei den Bundestagswahlen im September auch eine Mehrheit im Bundestag, der Weg für ein schwarz-gelbes Bündnis war frei. Dank dieser Mehrheit brachte die Koalition nach dem überraschenden Rücktritt Köhlers am 31. Mai 2010 ihren Kandidaten, den niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff (CDU), ins höchste Staatsamt, auch wenn sich dieser gegen den von SPD und Grünen aufgestellten Joachim Gauck erst im dritten Wahlgang durchsetzte.

Und jetzt? Nach dem Rücktritt Wulffs haben sich CDU, CSU und FDP trotz einer knappen Mehrheit in der Bundesversammlung (622 von 1240 Stimmen) nicht getraut, einen eigenen Kandidaten aufzustellen, sondern sich mit SPD und Grünen auf den parteilosen Joachim Gauck verständigt. Ein Jahr vor der Bundestagswahl könnte auch dies ein Vorbote für einen Stimmungswechsel sein: Die Zeit der schwarz-gelben Dominanz ist vorbei, die der fest gefügten Lager ebenso, neue Konstellationen von der Großen Koalition über Schwarz-Grün bis zu Jamaika oder der Ampel sind denkbar.

Ein Rückblick auf die Wahlen

12. September 1949: Im zweiten Wahlgang setzt sich Theodor Heuss (FDP) mit 416 Stimmen gegen den SPD-Vorsitzenden Kurt Schumacher (312 Stimmen) durch. 17. Juli 1954: Theodor Heuss wird im ersten Wahlgang mit 871 Stimmen im Amt bestätigt. 1. Juli 1959: CDU-Landwirtschaftsminister Heinrich Lübke erreicht im zweiten Wahlgang mit 526 Stimmen die absolute Mehrheit, Gegenkandidat ist Carlo Schmid (SPD/386). 1. Juli 1964: Heinrich Lübke wird im ersten Wahlgang mit 710 Stimmen wieder gewählt. 5. März 1969: Weder im ersten noch im zweiten Wahlgang erreicht ein Kandidat die absolute Mehrheit, im dritten Wahlgang liegt Gustav Heinemann (SPD) mit 512 Stimmen knapp vor Gerhard Schröder (CDU/506). 15. Mai 1974: Walter Scheel (FDP) setzt sich im ersten Wahlgang mit 530 Stimmen gegen Richard von Weizsäcker (CDU/498) durch. 23. Mai 1979: Ebenfalls im ersten Wahlgang wird Bundestagspräsident Karl Carstens (CDU) mit 528 Stimmen zum Staatsoberhaupt gewählt, seine SPD-Gegenkandidatin Annemarie Renger erhält 431 Stimmen. 23. Mai 1984: Der von CDU und CSU nominierte Richard von Weizsäcker hat keinen Gegenkandidaten und erhält im ersten Wahlgang 832 Stimmen.

23. Mai 1989: Weizsäcker wird mit 881 Stimmen im ersten Wahlgang im Amt bestätigt. 23. Mai 1994: Roman Herzog (CDU), Johannes Rau (SPD), Hildegard Hamm-Brücher (FDP), Jens Reich (Bündnis 90/Die Grünen) und Hans Hirzel (Republikaner) bewerben sich. Im dritten Wahlgang siegt Herzog (696). 23. Mai 1999: Im zweiten Wahlgang setzt sich Johannes Rau (SPD) mit 690 Stimmen gegen Dagmar Schipanski (CDU/572) durch. 23. Mai 2005: Horst Köhler (CDU) wird im ersten Wahlgang mit 602 Stimmen gewählt, seine SPD-Gegenkandidatin Gesine Schwan kommt auf 589 Stimmen. 23. Mai 2009: Horst Köhler (CDU) wird im ersten Wahlgang mit 613 Stimmen im Amt bestätigt, Gesine Schwan (SPD) kommt auf 503 Stimmen, der Schauspieler Peter Sodann (Linke) erhält 91 Stimmen. 30. Mai 2010: Trotz Mehrheit der schwarz-gelben Regierungskoalition in der Bundesversammlung setzt sich Christian Wulff (CDU) erst im dritten Wahlgang mit 625 Stimmen gegen Joachim Gauck (494) bei 121 Enthaltungen durch. Text: dpa

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